683 | TVS 12/21

Lassen Sie uns kurz innehalten und gemeinsam einen viel zu selten besungenen German-Game-Show-Hero ehren, der gerade seinen 50. Geburtstag feierte: DALLI DALLI! Wahrscheinlich eins der am meisten unterschätzten Unterhaltungs-Formate der deutschen TV-Historie – vielleicht weil es nicht am Premium-Primetime-Samstag um 20 Uhr 15 lief, sondern ‚nur’ am Donnerstag um 19.30, damals das Astra Zeneca unter den Entertainment-Terminen. Team Karzinom gegen Team Kalauer: Alles, was Ihnen zum Thema Fußpilz einfällt – Sie haben 30 Sekunden Zeit! Dalli Dalli! Sie sind der Meinung, das war Spitze! (Jump!) Und hier, dieses Bild hat unser Schnellzeichner Oskar gemalt, als Sie gerade versucht haben, Luftballons in einer Schubkarre in ein Handball-Tor zu transportieren und die kleinen Fehler in unserem heiteren Theaterstück von Curth Flatow zu finden. Dalli Klick! Das macht 200 Punkte! Wieviel ist das noch mal in Schilling?

Während sich bei den Spätgeborenen gerade eine Mischung aus Verwirrung und Fremdscham im Gesicht widerspiegeln mag, macht sich bei uns Boomer-Altvolk ein wohlig-verschmitztes Lächeln breit, denn natürlich erinnern wir uns an alles! Wir hatten ja sonst nichts. Und auch wenn es in der Rückschau durchaus altbacken und spröde erscheinen mag, so präsentierte sich Dalli Dalli damals doch durchaus mutig und rebellisch, war sie doch die erste Sendung ihrer Art, die sich traute, einfach nur verspielt albern zu sein. Kein Anbiedern an das verkopfte Bildungsbürgertum durch dröges Abfragen von Schulbuchwissen, wie sonst zu jener Zeit üblich, sondern einfach nur simple Spiele mit dem einzigen Ziel, das Publikum zu unterhalten und gute Laune zu verbreiten! Ganz schön nassforsch, wie auch die Aufforderung an die anwesenden Promis, nicht wie gewohnt durch ihr Können zu glänzen, sondern sich auf spaßig-alberne Aktions-Spiele auf gehobenem Kindergeburtstags-Niveau einzulassen. Aus heutiger Sicht banaler Alltag – damals nicht weniger als eine kleine Revolution. Die allerdings kaum jemand als solche wahrnahm, da sie von Hans Rosenthal mit der entspannten Herzlichkeit eines freundlichen Sparkassen-Filialleiters präsentiert wurde.

Denn genau darin lag seine wahre Größe und Stärke: im Auftritt eher spießig, dem herrschenden spröden Zeitgeist entsprechend. Flink im Kopf, aber unaufgeregt. Nie wirklich witzig, aber stets humorvoll und mit einer ernsthaft anmutenden Lässigkeit, die sonst niemand derart sympathisch verkörpern konnte.  Kein Entertainer, der selbst das Rampenlicht suchte, sondern der perfekte Gastgeber: immer darauf bedacht, dass seine Kandidaten gut rüberkamen, in der Großstadt nicht versehentlich in die Kamera winkten und sich wohl fühlten. Dennoch nicht zu fein dafür, selbst enthusiastisch in die Luft zu hüpfen, wenn das Publikum es wünschte. Und so wurde heimlich und leise Fernseh-Geschichte geschrieben, ohne dass die ängstlichen Verantwortlichen es bemerken konnten.

Ja, wir alle haben Dalli Dalli mehr zu verdanken, als uns bewusst ist. Denn hier wurden dem deutschen Unterhaltungsfernsehen zum ersten Mal ganz unbewusst der Spaß und die Lockerheit geschenkt, von der wir heute noch im Überfluss leben. Und sollten Sie gerade allein und unbeobachtet sein, dürfen Sie jetzt gern kurz in die Luft springen und ‚Das war Spitze!‘ rufen.

Aktives Waldsterben

Nachdem sämtliche ‚Formate aus dem Bereich ‚Promis-werden-irgendwo-eingepfercht-und-müssen-sich-gegenseitig-auf-die-Eier-gehen‘ aus Mangel an echten Berühmtheiten eh schon seit langem mit sogenannten Social-Media-Stars aus dem Bereich Fresse-/Arsch-/Produkt-Vermarktung aufgefüllt werden, spendiert man diesen irgendwo bekannten aber eigentlich total unbekannten Hackfressen jetzt bei JOYN eine eigene Sendung: #OFFLINE IM WALD! Ein halbes Dutzend Internet-Selbstdarsteller muss sich ohne Handy im natürlichen Forst blamieren, inklusive Bogenschießen, Baumklettern und In-den-Busch-Scheißen. Möglich, dass sich der deutsche Wald davon nie mehr erholen wird!

Östliche Strömung

Unglaublich, aber wahr: der mdr betritt mit großen Schritten die Moderne und startet demnächst drei Online-Serien, die ‚fiktional und humorvoll das Leben in Mitteldeutschland‘ beleuchten sollen. Ermöglicht wurde dies durch das Projekt ‚Mein Schwein pfeift‘, bei dem zu diesem Thema neue Webserien für ein jüngeres Publikum (unter 85) gesucht wurden. Gewonnen haben DIE PFLEGIONÄRIN, STRAIGHT OUTTA CROSTWITZ und OLLEWITZ! Wir dürfen gespannt sein und hoffen auf mehr als alte Gurken in neuen Gläsern!

Ausgekocht und abgegossen

Ich weiß nicht ob ich es schon mal gesagt habe: es wird viel zu wenig gekocht im deutschen Fernsehen! Erst recht mit Promis! Also was tut man, wenn sich im PERFEKTEN PROMI-DINNNER so langsam schon jede halbwegs bekannte Hackfresse mal für andere Semi-Stars zum Brutzel-Horst gemacht hat? Genau, man dreht es einfach um! So wie jetzt bei VOX in DAS WUNSCHMENÜ DER STARS – denn da kochen nicht mehr Stars für andere Stars ihr Lieblingsessen, sondern drei Stars für einen Star dessen Wunschmenü. Klingt ähnlich, ist es aber auch! Am Ende allerdings egal, landet eh alles in der gleichen Schüssel.

682 | TVS 11/21

Wir erinnern uns: Vor einem Jahr, als Corona gerade begonnen hatte, die Menschen durch die globale Lockdown-Premiere weltweit zurück in ihre Behausungen zu drängen und die Landesgrenzen zu verriegeln, da versprach uns der zauberhafte Buntball-Boulevard-Kanal SAT1 die zeitlich perfekt positionierte Fernweh-Fernseh-Erlösung zum Geistig-an-den-Strand-legen. PROMIS UNTER PALMEN hieß das heitere TV-Experiment, in dem man herausfinden wollte, was wohl passiert, wenn man zehn der aufmerksamkeitsgeilsten, verhaltensauffälligsten und charakterlich unangenehmsten Reality-Scheinexistenzen als eine Art mediale Soziopathen-Selbsthilfegruppe zusammen mit ausreichend Alkohol und zuvor angetriggertem Aggressions-Potenzial unter 24/7-Kamera-Bewachung in einen tropischen Luxus-Gulag sperrt.

Erwartbar so ziemlich genau das Gleiche wie bei einer Horde aufgehetzter Killer-Kampfhunde mit Steroid-Injektion, denen man vor dem Einlass in die Arena noch mal kräftig in die Eier getreten hat – im übertragenen Sinne. Und so durften wir miterleben müssen, wie sich das räudige Reality-Rudel psychisch zerfleischte, mental blutig biss und gegenseitig an die Beine pisste. Ein misanthropisches Mobbing-Spektakel, das nach kurzer Phase des Amüsierens beim Publikum via Social Media in offene Abscheu und Ekel kippte. Fazit: Shitstorm-Tsunamis empörter Zuschauer, Beschwerden bei der Landes-Medienanstalt, TV-Aus für den sexistischen Pimmel-Protz Bastian Yotta und reumütige Entschuldigungen von SAT1, dass man definitiv aus diesen Fehlern lernen würde.

Tat man in gewisser Weise auch, nur anders als vielleicht gedacht, denn die Erkenntnis der Verletzungen und Verfehlungen war: Okay, war unwürdige Scheiße – aber quotenmäßig top! Also Schwamm drüber und nächstes Jahr genauso wieder – bzw. möglichst noch schäbiger, asozialer und brutaler! Was durch die homophob-menschenfeindlichen Pöbel-Tiraden von Ex-Zuhälter Prinz Marcus von Anhalt bereits nach der ersten Folge zu ähnlich heftigen Publikums-Reaktionen führte. Wie auch zu der überraschten Einsicht von SAT1, dass das ja wohl wirklich unter aller Sau war, was man bei Produktion und Schnitt ohne Twitter allerdings gar nicht merken konnte, woraufhin man diese Episode aus der Mediathek entfernte und lebenslange Sendersperre für den Puff-Prinzen verhängte. Nur um in Folge 2 bei der Preview auf JOYN den nächsten Mobbing-Shitstorm zu ernten, die TV-Ausstrahlung deshalb um 30 Minuten zu kürzen und sich erneut für die eigene offensichtlich unsensible Arschigkeit zu entschuldigen, bevor man kurz darauf durch den tragischen Tod von Teilnehmer Willi Herren die Einstellung der kompletten restlichen Staffel beschloss und den gesamten Scheißhaufen der menschlichen Niedertracht in den medialen Orkus spülte, in den er im Grunde schon immer gehört hatte.

Der Hüpfball der Unschuld hat sich inzwischen gewohnt zynisch so halbwegs für die versehentlich selbst verschuldete Widerwärtigkeit entschuldigt und fest versprochen, daraus zu lernen – nämlich wie man es nächstes Jahr noch viel fieser, aber weniger saublöd anstellt. Aber seien wir versichert – letzteres wird wieder nicht klappen!

Cat-Womans Rückkehr

Eigentlich war es gerade angenehm ruhig geworden um die Katzenberger-Bande im Trash-TV, jedenfalls wenn man von den gelegentlichen Gesangsversuchen mit Ehemann Lukas Cordalis absieht. Aber das ja war zum Glück meist nur kurz und man konnte sich die Ohren zuhalten. Jetzt allerdings wird zur großen Doku-Soap-Rückkehr auf RTL2 geblasen, wo wir in DANIELA KATZENBERGER – FAMILIENGLÜCK AUF MALLORCA nun wieder eine ganze Staffel lang den spektakulär unspektakulären Pseudo-Alltags-Inszenierungen der authentisch artifiziellen Reality-Family beiwohnen müssen. Ab ins Katzenklo!

Uli-Ersatz

Breaking News: Lothar Matthäus hat den RNUH-Contest gewonnen und wird RTLs Next Uli Hoeness! Noch lieber wäre er zwar in die sanft-schluffigen Fußstapfen von Hautpflege-Model Jogi Löw getreten und Germanys New Bundestrainer geworden, aber dieses Angebot wurde leider abgelehnt. Dafür darf er von nun an die Nationalspieler zumindest als Kommentator auf RTL begleiten, bis man durch seine cleveren Expertisen vielleicht endlich erkennt, dass er in Wahrheit ein viel besserer Bundestrainer wäre als Wer-auch-immer. Niemals aufgeben, Loddar!

Münzen-Einsatz

Quiz- und Game-Shows mit Requisiten, die man werfen, schieben, rollen oder sonstwie bewegen, anfassen und lautstark im Titel präsentieren kann, sind derzeit schwer angesagt, wenngleich nicht immer erfolgreich. Goldene Ringe, rote Kugeln, große Buchstaben, kleine Murmeln – bis auf Zahnstocher-Werfen, Kirschkern-Spucken und Eierlaufen hat man eigentlich schon alles versucht. Jetzt wurde bei SAT1 aber noch etwas Hartgeld im Klingelbeutel gefunden und schickt Hyper-Fun-Flummi Ross Anthony mit ROLLING – DAS QUIZ MIT DER MÜNZE an den Start. Kleiner Tipp: wenn’s nicht läuft, einfach in die Parkuhr stecken und ganz ruhig warten, bis alles vorbei ist!

681 | TVS 10/21

Es tut sich was in der Medienlandschaft! Noch weiß man zwar nicht so ganz genau was eigentlich, aber ein lauer Luftzug der Veränderung ist spürbar, der Geruch von Fäulnis und Muff scheint sich langsam, ganz langsam in eine Art frische Brise zu verwandeln. Also keine echte, aber zumindest so wie bei den parfümierten Klosteinen im Raststätten-Scheißhaus – die machen die echte Luft ja auch nicht schöner, aber vorher roch es halt noch schlimmer. Während Pro7 aktiv dabei ist, mit Hilfe von beispielsweise Joko & Klaas die Freude an neuen Ideen, gepflegter Albernheit und sozialer Relevanz wiederzuentdecken, bemüht sich zur gleichen Zeit SAT1 mit PROMIS UNTER PALMEN, die endlos tiefe Jauchekuhle der aggressiv menschenverachtenden Niveaulosigkeit noch mal um ein paar Etagen zu unterkellern. Und dann noch eine dicke Wurst dort abzulegen.

Besonders auffällig sind die programmlichen Erosionen allerdings gerade bei RTL und den Öffentlich-Rechtlichen, wo sogar ein reger Personal-Austausch stattfindet. So geht Sonja Zietlow zum ZDF und Jan Hofer zu RTL, was bei vielen Zuschauern zu Verwirrung führen dürfte, wenn sie demnächst LET’S DANCE für die TAGESTHEMEN halten oder den FERNSEHGARTEN mit dem DSCHUNGELCAMP verwechseln – wobei die Unterschiede natürlich oft auch nur fließend sind. Der seit langem überfällige Rausschmiss vom nöligen Krawall-Opa Bohlen war dabei eines der wichtigsten Signale aus Köln – plötzlich war alles möglich! Ein erster Riss in der seit zwanzig Jahren unbeweglich erstarrten Kreativ-Kruste. Dazu noch mehr Gottschalk, die Reanimation von Hape Kerkeling, Event-Movies und sogar die Ankündigung einer täglichen KLIMA VOR ACHT – Berichterstattung rund um die aktuellen Entwicklungen in der Klimakrise – eine Format-Idee, die zuvor von der ARD abgelehnt wurde, um mehr wichtigen Platz für Quiz und Werbung zu bewahren. Es scheint als würde RTL versuchen, den trägen Öffis wieder einmal direkt an der Energiequelle den Saft abzuziehen und zu zeigen, dass man sehr wohl auch anders könne, wenn man nur wolle!

Und das will man anscheinend, denn auch wenn man sich seit Jahrzehnten sklavisch daran hielt, als geschmeidig glattgelutschter Quotenmagnet für die von Ex-Chef Helmut Thoma selbst kreierte ‚Werberelevante Zielgruppe der 14-49jährigen‘ zu funktionieren, so erkannte man inzwischen, dass man diese ganz dringend nach oben erweitern muss. Galt für die crazy Privat-TV-People in den frühen 90ern die Generation Ü-50 nur als kommerziell uninteressantes Glotzgemüse, so hat sich die Gesellschafts-Struktur inzwischen stark verändert. Der Großteil der Jüngeren hat weder relevante Kohle noch Interesse am Fernsehen – während die Älteren nicht nur zahlenmäßig immer mehr werden, sondern auch noch brav gucken was auf den Tisch kommt und fleißig Geld ausgeben. Ist halt blöd, wenn man irgendwann aus der selbst erfunden Zielgruppe wächst und einem der coole Jugendwahn zwischen den eigenen Schrumpelfingern zerrinnt. Aber keine Sorge – man ist immer nur so alt wie man sich sendet!

Missverständnisse

Das kommt davon, wenn man sich unbedacht unnötige Pseudo-Promis züchtet und deren lautstarke Bedeutungslosigkeit dann als Top-Event verkaufen will, obwohl sie schon beim ersten Mal eigentlich niemand sehen wollte. So geschehen bei Claudia Obert, die beim grausigen PROMIS UNTER PALMEN 2020 als nervige Schampus-Diva dauerstrulle durch die Villa schlurfte und kurzzeitig aus Mitleid beliebt wurde, weil Lästerhexe Desiree Nick und der Rest der Brut sie als Mobbing-Opfer missbrauchten. Solo auf Männersuche in CLAUDIAS HOUSE OF LOVE in SAT1 blieb das Publikum aber verständlicherweise fern, Absetzung nach nur einer Folge. Der Rest läuft jetzt spät nachts und bei Joyn – denn beim Streamen hört dich niemand floppen!

Drohungen

Deutschland aufgepasst! Nachdem Musik-Misanthrop Dieter Bohlen nach fast 20 Jahren Alleinherrschaft über den Jury-Vorsitz von RTL überraschend in die freie Wildbahn entlassen wurde, blieb er kurz vor Amtsende mit ärztlichem Attest den DSDS-Finalsendungen fern und medial gesehen ungewohnt stumm. Inzwischen allerdings hat er sich via Social Media zu Wort gemeldet und mopsfidel angekündigt, massenhaft Angebote und Ideen zu haben. Die Worte ‚Macht Euch keine Sorgen – Ich plane Großes!‘ darf die Nation also durchaus als Drohung auffassen – und wahrlich niemand muss sich seiner Angst schämen!

Rollkommando

Da der große Domino-Day wegen zu großem Corona-Sicherheitsabstand zwischen den Steinen in diesem Jahr nicht wie vorgesehen stattfinden kann, hat RTL schnell noch mal in der Spielekiste gekramt und umgeplant! So erwartet uns nun der aufregende neue Serien-Show-Event MURMEL MANIA, wo diverse obligatorische A-bis-Z-Promis unter Aufsicht von Obermurmel Chris Tall in megaspannenden Spielen zeigen müssen, wie dufte sie die bunten Mini-Kugeln rollen lassen können. Und da behaupten zynische Kritiker, das große Entertainment-TV wäre tot – die haben doch alle einen an der Murmel!