685 | TVS 14/21

Ich weiß nicht, ob Sie es auch schon bemerkt haben, aber die Hauptfiguren aus der wunderbaren Welt der fiktionalen Erzählungen in Filmen und Serien haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Waren die Helden der 60er meist ernsthaft-gesittete, reifere Herren in Anzug und Krawatte, wurden in den 70ern langsam Schlips und Muff abgelegt, aber die grundsätzliche Seriosität in einer Männer-dominierten Gesellschaft blieb bestehen. Auch in den 80-/90ern waren die MainCharacters meist deutlich Ü30 und mit genetischer Lässigkeit gesegnet, aber dennoch eher durchschnittlich im Gesamteindruck. Allerdings ragten sie durch Beruf/Fachwissen/Gadgets (Privatdetektiv, Vietnam-Veteran, Stuntman, Besitzer eines sprechenden Autos), blendendes Aussehen und einen attraktiv überlegenen Mix aus Charme und Cleverness aus der tumben Masse hervor. Zwar besaßen sie weit mehr Glück als Verstand und konnten mit einem einzigen Kinnhaken jeden Schurken in die finale Verhaftungs-Ohnmacht schlagen, größtenteils aber blieben sie ‚Menschen wie Du und Ich‘, die sich in einer konfliktreichen Umwelt behaupten mussten.
Im neuen Millennium hat sich dieses Bild durch Verjüngung und Neu-Orientierung des global werbewirksam erscheinenden Zielpublikums beinahe komplett gedreht. Die Protagonisten und Innen bewegen sich rein alterstechnisch meist in engem Rahmen um die Volljährigkeit, verfügen aber über Wissen, Weisheit und Fähigkeiten ganzer Generationen. Mit 12 Jahren ist es nicht unüblich, mental bereits Professor in Atomphysik zu sein, durch Youtube-Tutorials erworbene Martial-Arts-Kampfkenntnisse zu besitzen und beim Pizza-essen mit dem Handy in Sekundenschnelle die Computer der CIA hacken zu können. Generell ist es den meisten Action-Heroen dieser Tage möglich, in Fights und Autojagden die lästigen Regeln von Zeit, Raum und Physik auf Wunsch zu ignorieren und individuell so zu gestalten, dass man selbst einfach verdammt cool dabei aussieht. Ehemalige Self-Made-Millionäre wie einst Jonathan & Jennifer Hart würden heute nur noch als spießige Boomer-Versager verlacht. Der fiktionale Business-Tycoon der Neuzeit ist um die 20, ethnisch wie geschlechtlich divers, sexuell multi-orientiert, so ultraheiß wie smart und skrupellos, vor allem aber mindestens multipler Milliardär – und zwar so dass man es auch deutlich sieht! Dabei agiert man verbal selbstverständlich elegant auf höchstem Screwball-Niveau mit witzigen Insider-Quotes und Nerd-Knowledge der 80er, 90er und dem Besten von Heute.
Was alles übrigens nur deshalb möglich ist, weil die meisten Drehbücher für diese Filme und Serien inzwischen von dicken alten weißen Männern um die 50 stammen, die nun, in Bollerhose am Computer sitzend, ihr mühsam durch jahrzehntelangen, verzweifelten TV-und-Kino-Konsum erworbenes Fan-Fachwissen und ihre persönlichen unerfüllten Allmachts-Fantasien in die selbst erfundenen athletischen Körper junger heißer Allround-Alleskönner fabulieren. Man sollte eine schöne Fiktion halt niemals zu genau hinterfragen. Ich weiß, wovon ich rede!

Schadensbegrenzung

FRAUENTAUSCH war schon immer ein furchtbar menschenverachtendes und soziales Elend ausbeutendes Format, soweit keine Überraschung. Das hat man nun wohl auch irgendwie in der RTL-Familie gemerkt, allerdings nur weil es nach einer TV-Wiederholung zahlreiche heftige Beschwerden wegen heftiger Homophobie und anderer unschöner Aussetzer gab. Weshalb man nun sicherheitshalber erst mal alle über 500 Folgen aus der Mediathek bei TVNow genommen hat, um sie intensiv zu sichten und zu überprüfen. Den Scheiß hat man sich ja früher als Verantwortlicher nicht freiwillig angesehen. Mein Beileid – wird ein harter Job, aber danach sind wir den Müll hoffentlich endgültig los!

Schockrationierung

Die Drohung steht ja schon seit einiger Zeit im Raum bzw. in der Natur: DIE ALM kehrt zurück zu Pro7! Unter dem Subtitel PROMISCHWEISS UND EDELWEISS wird nach 10 Jahren Pause erneut eine Herde Berühmtheits-Vortäuscher in eine Berghütte gepfercht, um dort, wo Kuh und Influencer sich Gute Nacht sagen, gemeinsam dem Luxus zu entsagen und sich vor laufenden Kameras möglichst beschissen zu benehmen. Diesmal allerdings nicht wie früher täglich on Air, sondern sechsmal wöchentlich als Big-Doofen-Drama-Primetime-Event, wie im RTL-Sommerhaus und dem SAT1-Proleten-Puff unter Palmen erfolgreich vorgelebt. Darauf ein Glas Selbstgemolkenes! Muh!

Beziehungsratgeher

Auch wenn man als Zuschauer denken mag, dass inzwischen jeder Single jederlei Geschlechts bereits von irgendeinem TV-Sender mindestens ein Dating-Angebot erhalten haben müsste, ist das Feld noch längst nicht abgegrast. So bringt nun SAT1 die schwungvoll ungelenk betitelte Variante LOVE COUPLES – MEIN DATE, MEIN SCHWULER BESTER FREUND UND ICH. Oder kurz #LCMDMSBFUI. Wie der Titel schon erahnen lässt: das Gleiche wie immer, nur mit schwulem Best-Buddy als Ratgeber an der Lady-Seite. Mehr Innovation geht nicht! Zumindest nicht im deutschen Fernsehen.