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Private Midlife-Crisis

753 | TVS 04/24

Es ist unglaublich, aber wahr – Privatfernsehen wird 40 Jahr! Herzlichen Glückwunsch, bunte Blumen von der Tanke und ein Doppelkorn auf sein Wohl! Doch so gern wir alle feiern würden, so scheint es doch leider, dass es dem guten alten Schlachtross gerade nicht wirklich gut geht. Vor längerer Zeit sagte ich mal: ‚Wäre das Fernsehen ein Pferd, man hätte es längst erschossen!‘ Vielleicht etwas übertrieben, denn so ganz möchte ich die Hoffnung noch nicht aufgeben – aber der klapperige Zosse wirkt derzeit schon extrem frustriert und verwirrt. Oder um in der Pferde-Allegorie zu bleiben: es ist zwar noch kein Fall für den Abdecker, aber meist läuft es nur noch orientierungslos über die Medienwiese, wiehert wirr vor sich hin und äppelt unkontrolliert dampfende Haufen in die Botanik.

Von dem wohlgelaunten Wagemut und der übermütigen Euphorie der ersten Lebenshälfte ist jedenfalls kaum noch etwas zu spüren. Leider. Vergessen wir mal das erste unbeholfene Jahrzehnt des Aufbaus und der Konsolidierung, als ARD/ZDF noch arrogant mit gerümpfter Nase über das Dilettanten-TV schmunzelten und an eine schnelle Niederlage glaubten. Die zweite Dekade gehörte eindeutig den Privaten! In den 90ern erlebten wir plötzlich ein neu aufblühendes Medium, wie wir es bis dato noch nie gesehen hatten: schrill, bunt und verrückt, Spaß und Unterhaltung im Überfluss sowie Shows, Schlager und Volksmusik sogar vor 20 Uhr und an Wochentagen. Auch wenn wilder Wahnsinn wucherte – man merkte, dass hier Menschen Programme machten, die Lust darauf hatten, endlich die öffentlich-rechtlichen Bildungsfernseh-Fesseln zu sprengen und alles bislang Versäumte nachzuholen. Man verdiente viel Geld und gab ebenso viel wieder aus. Auch wenn so einiges von damals inzwischen in der Mülltonne des gnädigen Vergessens seine ewige Ruhe fand – in puncto Kreativität und Innovation waren die 90er dank Privat-TV-Power das Goldene Zeitalter des deutschen Fernsehens!

Danach ging es im Grunde stetig bergab. Durch den finanziellen Erfolg verwöhnt wurden die Sender zu medialen Großfamilien, börsenorientierten Unternehmen oder Schluckware für anonyme Konzernstrukturen. Erfolg wurde vom Inhalt abgekoppelt und ausschließlich in monetärem Gewinn gemessen. Als dann noch das Internet als ernsthafte Konkurrenz auftauchte und die ersten Einbrüche der Werbe-Einnahmen spürbar wurden, geriet man in Panik. Einsparungen und Entlassungen ersetzten die Phantasie und das Programm geriet fast komplett zur Nebensache. Seitdem wundert man sich in den Sendern zunehmend, dass die dargebotene Lieblosigkeit vom Publikum inzwischen auch bemerkt wird. Man fühlt sich zwar theoretisch noch vital und potent, aber gleichsam geschwächt und ungeliebt, weshalb man sich plump bei den Jüngeren anbiedert und mit leerem Schritt auf dicke Hose macht. Alles deutliche Anzeichen einer handfesten Midlife-Crisis.

Liebes Privatfernsehen, gräm dich nicht! Wir hören zu und sind für Dich da. Versuch doch einfach Dich daran zu erinnern, warum Du eigentlich einst so erfolgreich warst. Denk auch wieder über Inhalte nach, habe Mut zur eigenen Kreativität und halt Dein Publikum nicht mehr für komplett bescheuert – dann könnten wir vielleicht sogar mal wieder alle gemeinsam Spaß haben. Happy Birthday, alter Rochen!

Leute erkennen

In den USA bei James Corden war LINE UP nur eine kleine Spiel-Rubrik in seiner LATE LATE SHOW, aber da wir im deutschen Fernsehen derzeit nicht viel zu bieten haben außer Verzweiflung, wird es bei ProSieben zu einer großen PrimeTime-Show: WER ISSES? Da steht dann eine Reihe Leute herum und Ralf Schmitz, Chris Tall wie auch andere Promis müssen raten, wer von ihnen einen bestimmten Beruf oder Hobby oder Geheimnis hat. Letztlich nicht viel mehr als alte Wurst in neuem Darm aus der Mikrowelle, klingt aber dennoch besser als die restliche lauwarme Mompe auf dem TV-Teller.

Tele-Zirkus

Seit Jahrzehnten bereits lassen sich Prominente am Nasenring durch den Fernseh-Zirkus zerren, in der Neuzeit meist unter Palmen oder auf Almen, in überwachten Wohngemeinschaften oder feuchten Dschungel-Ecken – in den 60ern bis in die erste Dekade der 2000er bei ARD und ZDF sogar im wahrsten Sinne des Wortes bei STARS IN DER MANEGE. Damit nichts umkommt, hat SAT1 das Format zehn Jahre später wieder ausgebuddelt und lässt seitdem Jörg Pilawa als Zirkusdirektor die dressierten TV-Viecher durch die Kuppel peitschen. Das Publikum freut sich und die Promis sind froh, wenn sie mal aus dem Käfig kommen und ausnahmsweise was Sinnvolles tun dürfen! Win-Win!

Rucksackgesichter

Irgendwann sollten auch die letzten Sender eigentlich mal merken, dass der seit Ewigkeiten ausgelatschte Reality-Star-Doku-Format-Weg schon längst nur noch von einer Sackgasse in die nächste führt. Wenn dann ein neues Format wie REALITY BACKPACKERS (um eine Horde wenigstbekannter Torfnasen auf Rucksack-Reise in Thailand) aber zuerst auf JOYN gestreamt und dann als Free-TV-Premiere auf Pro7 heimlich nachts um 2.30 ausgestrahlt wird, lässt das weder auf hohe Qualität noch große Erfolgschancen schließen. Eher auf die ewige Ruhe in der Fernseh-Restmülltonne mit VVV-Vermerk: Vergeigt – Versendet – Vergessen!

Die #SchleFaZ-Wunschfilm-Deutschland-Tour 2024

Tickets

19:00 Hamburg Friedrich-Ebert-Halle
19:00 Bremen Pier 2
19:00 Lübeck Kolosseum
19:00 Rostock Moya
19:00 Leipzig Haus Leipzig
19:00 Frankfurt Batschkapp
AUSVERKAUFT
19:00 Saarbrücken Garage
19:00 Kaiserslautern Kammgarn
19:00 Magdeburg AMO
19:00 München Alte Kongresshalle
19:00 Stuttgart Theaterhaus
19:00 Erfurt Alte Oper