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Mein schlimmster Alptraum

739 | TVS 16/23

Die meisten Träume verschwinden nach dem Aufwachen so schnell wie Morgentau auf einer Sommerwiese. Manche aber verhaken sich ungewollt im Unterbewusstsein und bleiben noch lange zumindest fragmentarisch an der Hirnrinde hängen. An einen besonders heftigen Alptraum, den ich Anfang der 90er hatte, kann ich mich immer noch deutlich erinnern. Eigentlich war ich damals gerade recht optimistisch gestimmt, trotz zahlreicher Krisen schien sich die Welt auf einem hoffnungsvollen Weg Richtung Vernunft und Veränderung zum Positiven zu befinden: die Mauer war gefallen, die Sowjetunion zerbrach, der Kalte Krieg wurde beendet, Privat-TV und Radio brachten dem deutschen Publikum unbeschwerte Unterhaltung, die ersten PCs und Mobiltelefone erschienen und große technische wie auch politische Umwälzungen standen bevor.

Eines Nachts glitt ich im Schlaf jedoch in die bizarr-kafkaeske Vision einer dystopischen Zukunft nur wenige Jahrzehnte entfernt. Ich träumte, jeder hätte plötzlich einen eigenen Computer zuhause und ein tragbares Zauber-Telefon, das seine Besitzer aber wie Suchtopfer in eine Art hypnotischen Bann zu ziehen schien. Im Fernsehen gab es kaum noch Shows und Serien, stattdessen wurden ohne Drehbuch mit verhaltensauffälligen Laiendarstellern krankhafte Realitäts-Parodien nachgestellt oder auf tropischen Inseln was zum Bumsen gesucht, was sogar mit Nachtsicht-Kameras abgefilmt wurde! Völlig unvorstellbar. Man hatte ein faszinierendes netzartiges System erfunden, wodurch man weltweit kommunizieren konnte, das allerdings schon bald nicht mehr für Informationsaustausch und Wissenserweiterung benutzt wurde, sondern vornehmlich um bewusst Lügen zu verbreiten, eitel die eigene Existenz zu dokumentieren oder sich gegenseitig hasserfüllt zu bepöbeln. Der allgemein gestiegene Wohlstand hatte nicht zu mehr Glück und Zufriedenheit geführt, sondern zu Überfluss, Neid und Gier, wobei die Schere zwischen absurdem Reichtum sehr Weniger und großer Armut sehr Vieler zum Spagat der sozialen Ungerechtigkeit geworden war. Gleichzeitig hatte man die Ressourcen der Erde derart blindwütig ausgebeutet, dass die Umwelt zunehmend kollabierte und eine globale Klimakatastrophe drohte, die man jedoch erfolgreich zum Wohle der Wirtschaft ignorierte. Es gab eine erdumspannende Pandemie, bei der sehr viele Menschen starben und noch mehr bekloppt wurden. Die einstmals armen Russen wurden immer reicher, doch dann startete ihr despotischer Präsident in zaristischem Größenwahn einen sinnlosen Krieg, den niemand mehr für möglich gehalten hatte. Demokratie und Diskussionen wurden zunehmend lästig bis langweilig, Diktaturen immer beliebter und das Klammern an alten Werten verlockender als der Wunsch nach Fortschritt und Veränderung. Kurzum: die Menschheit schien rein gar nichts aus den Fehlern ihrer Vergangenheit gelernt zu haben und sich auf der Straße der intellektuellen Evolution mit Bleifuß im Rückwärtsgang zu befinden.

Wie gesagt: zum Glück nur ein schlechter Traum. Wahrscheinlich was Falsches gegessen damals oder zu wenig Drogen. In letzter Zeit scheint diese höllische Halluzination mich allerdings wieder einzuholen. Oder ich befinde mich noch immer mittendrin. Könnte mich vielleicht jemand zur Sicherheit mal ganz kurz aufwecken?

Umbau-Entertainment

Bei RTL hat man wieder mal ein pfiffiges neues Format voller Innovations-Armut angekündigt: WETTKAMPF IN 4 WÄNDEN – DIE ULTIMATIVE BAU-CHALLENGE! Es geht – der Titel lässt es erahnen – mal wieder um die Renovierung oller Muffelbutzen, genauer gesagt diesmal um das Herrichten eines Rohbaus mit sechs Zimmern in Team-Arbeit, wobei letztere aus Hobby-Handwerkern und Reality-TV-Darstellern bestehen. Wer gern Anderen beim Arbeiten und Mörtel beim Trocknen zuschaut, dürfte hier bestens bedient werden. Wer es allerdings etwas aufregender mag, dem sei ein lauwarmer Kamillentee und frühe Bettruhe empfohlen.

Kreativer Leerstand

Ein Fall für die rettende Abrissbirne bleibt weiterhin die SAT1-Dauerkrisen-Datsche VOLLES HAUS. Kaum jemand will noch freiwillig zuschauen und niemand versteht das Konzept des lieblos zusammengewürfelten Format-Gulaschs mit Sofa-Moderationen. Der bockige Bällchensender lässt sich jedoch nicht beirren, selbst wenn man dort gar nicht mehr weiß, was man eigentlich zeigen soll, bzw wem überhaupt. Nach zwei wirren Wochen komplett vorproduzierter Fake-Aktualität mit Sendungen ohne Haus drumherum und mit fehlendem Dach, folgte nun ein Neustart ohne echte Neuerungen, mit gewohnten Vormittags-Banalitäten am Nachmittag plus Omas Kartoffelsalat-Rezepten als Breaking News. Vielleicht könnten die Renovierungs-Experten von RTL ja mal hier vorbeischauen? Oder kontrollierte Sprengung!

Einstürzender Himmel

Immer so traurig wie tragisch, wenn potenzielle Hoffnungsträger der Medien-Branche sich vor aller Augen selbst demontieren. So wie derzeit leider wieder einmal die Pay-TV-Plattform SKY mit der plötzlichen Ankündigung, sämtliche fiktionalen Eigenproduktionen mit sofortiger Wirkung einzustellen, selbst jene, die längst in fester Planung waren. Billige Privat-TV-Schrottware wie DIESE OCHSENKNECHTS soll aber bleiben, um damit zumindest ab und zu mal eine belanglose Boulevard-Schlagzeile abzugreifen. Ein bitterer Schritt in die erneut komplett falsche Richtung – denn Reduktion von Qualität und Eigenständigkeit haben eine schwächelnde Marke nun mal noch nie gestärkt nach vorne gebracht!

Die #SchleFaZ-Wunschfilm-Deutschland-Tour 2024

Tickets

19:00 Hamburg Friedrich-Ebert-Halle
19:00 Bremen Pier 2
19:00 Lübeck Kolosseum
19:00 Rostock Moya
19:00 Leipzig Haus Leipzig
19:00 Frankfurt Batschkapp
AUSVERKAUFT
19:00 Saarbrücken Garage
19:00 Kaiserslautern Kammgarn
19:00 Magdeburg AMO
19:00 München Alte Kongresshalle
19:00 Stuttgart Theaterhaus
19:00 Erfurt Alte Oper