746 | TVS 23/23

Eine der schwierigsten Herausforderungen der Menschheit war es schon immer, möglichst für jedes Individuum auf dem Planeten ein passendes Beziehungs-Pendant zu finden, da nun mal der Großteil der Humanoiden lieber verpartnert als ganz allein durch das Leben schlurft. Auch im Fernsehen ist dieses Thema von jeher ein überaus wichtiges gewesen, nicht nur aus reiner Nächstenliebe, sondern vor allem auch weil das Beobachten des menschlichen Balzverhaltens stets verlässlich für beste Unterhaltung und Quoten sorgte. In Deutschland begann die mediale Verkupplung allerdings so richtig erst in den späten 80ern mit HERZBLATT und GELD ODER LIEBE, damals noch eher niedlich-naiv und verschüchtert-verspielt, so dass man bisweilen fast glauben mochte, das theoretische Kandidaten-Coupling läge vielleicht sogar wirklich irgendjemand irgendwo am Herzen. Mit Erstarkung der Privaten änderte sich das Bild aber schnell, denn nach einer kurzen Phase überkitschter Romantisierung mit inszenierter Suche nach ewiger Liebe, Hochzeits-Brimborium und Gefühls-Tralala ging es schnell und konsequent marktwirtschaftlich zum Kern der Sache, nämlich der familientauglich Fun-orientierten Bumsanbahnung.  Egal ob bei LOVE ISLAND, ADAM SUCHT EVA oder sonstigen Fummelversuchen unter Palmen, stehen hier für die Teilnehmer statt Partnersuche längst Klamotten-Askese, Genitalien-Schwingen und GV-Vollzug vor laufenden Nachtsicht-Kameras an erster Stelle, um sich durch Knutsch-und-Knatterkompetenz gepaart mit erfrischend asozialem Verhalten für weitere Trash-Formate zu qualifizieren.

Zunehmend beliebter in diesem Genre wird inzwischen das bewusste Manipulieren und Quälen aller Beteiligten, das sogar noch weit über bisheriges Grauen wie das genüsslich zelebrierte Vorführen Schutzbedürftiger in   SCHWIEGERTOCHTER GESUCHT oder die gefühllosen Mumu-Pimmel-Pöter-Präsentationen in der Fernseh-Fleischtheke NAKED ATTRACTION hinausgeht. So bemüht man sich in TEMPTATION ISLAND, voneinander separierte Pärchen-Hälften mithilfe von professionellem Animations-Personal aktiv zur Untreue zu animieren, um diese dann emotional erschüttert dem jeweiligen Partner mit empörten Krokodilstränen als Video-Beweis zu präsentieren. Für TOO HOT TO HANDLE werden übersexte Pimperwillige unter falscher Fickelflagge auf eine Insel gelockt, wo sie mutwillig aufgegeilt werden, nur um danach jegliche Körperkontakte unter finanzielle Strafe gestellt zu bekommen. Verschiedene Cringe-Formate von MEET THE PARENTS bis zum HEIRATSMARKT geben Peinlichkeits-resistenten Eltern die Möglichkeit stellvertretend für ihre erwachsenen Kinder was Passendes zur Paarung zu finden, und bei MILF MANOR daten scharfe Ü-40-Mütter deutlich jüngere Männer, die sich dann als die Söhne ihrer jeweiligen Mitbewerberinnen herausstellen.

Fakt ist: bevor sich nicht der letzte Solo-Mensch in festen Händen befindet, werden die Sender und Streamer nicht aufhören, hilflos Alleinstehende mit herzlicher Häme eiskalt-unterhaltsam zu missbrauchen und quotenträchtiger Psycho-Folter zu unterziehen. Also los, Ihr Singles – Arsch hoch und runter vom Sofa! Geht raus und verliebt Euch endlich – sonst kommt man Euch holen! Und das wird ganz bestimmt kein Vergnügen…

Resterampen-Zwangs-WG

Bald ist es soweit und die alljährlich unvermeidliche SAT1-Big-Brother-Butze öffnet zum zehnten Mal ihre Pforten, um ein wohnwilliges Rudel egozentrischer Reality-Restbekanntheiten einzukerkern. Über Joyn-Premium diesmal sogar mit 24/7-Langeweile-Livestream aus der Schwachmaten-WG, damit man wirklich keine Unwichtigkeit der vor sich hin atmenden Schein-Existenzen mehr verpassen muss. Als Top-Star bestätigt wurde bereits Peter Klein, der Ex von der Mutter von der Katzenberger, den vor seiner vermeintlichen Fremdbumserei als Dschungelcamp-Kandidaten-Begleiter noch keine Sau kannte und dessen TV-Entertainment-Kompetenz sich auch seitdem nicht mehr erhöht hat. Scheint dieses Jahr also ein echter Promi-Knaller zu werden!

Promi-Planschbecken

Auch 2023 gibt es wieder die letztjährig ins Leben gerufenen großen RTL WASSERSPIELE. Bei denen das Publikum genau das erwartet, was der Titel verspricht: Eher unbekannte Leute, in der Ankündigung mit schelmischem Augenzwinkern als ‚Promis‘ bezeichnet, planschen im Wasserpark auf Teneriffa herum, machen lustig gemeinte Spiele und hoffen, dass keiner mitfilmt wenn sie ins Nichtschwimmerbecken pinkeln. Klingt so unterhaltsam wie ein Nachmittag im Freibad mit einer Horde schwer erziehbarer Früh-Pubertierender, für die man ohne Bezahlung als einziges Begleitpersonal eingeteilt wurde, inklusive Fußpilz und Prügelei am Dreier. Viel Vergnügen!

Haus-Verkauf

Geahnt haben es alle schon seit Monaten, im Grunde spätestens seit Sendestart. Nun aber hat SAT1 lange genug mit zusammengebissenen Zähnen die Realität ausgeblendet und zieht bei VOLLES HAUS, dem großflächig vergurkten Frühstücksfernsehen am Nachmittag, nach acht Monaten endgültig den Stecker. Schade um das schöne Geld und die viele Energie, die hier verfeuert wurden, statt sie in echte Innovationen zu investieren, die Sender und Publikum wirklich mehr denn je gebrauchen könnten. Stattdessen kommen jetzt wieder Reality und Doku-Soaps – wird billiger, aber keineswegs besser.