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Ich bin zu alt für mich!

718 | TVS 21/22

 
 
 

Hat das lineare Fernsehen eine Zukunft? Wer schaut eigentlich überhaupt noch in die gute alte Flimmerkiste, bzw. auf den inzwischen flimmerfreien Flatscreen? Zuerst die (zumindest für die Macher) gute Nachricht: ja, es wird immer noch genug geglotzt, dass sich der ganze Scheiß auch lohnt! Und es sieht trotz der zahlreichen Alternativen medialer Unterhaltung nicht so aus, als müssten die Sender aktuell fürchten, dass ihnen demnächst komplett der Saft abgedreht würde.

Mit Blick auf die wissenschaftlichen Auswertungen zur TV-Nutzung muss man allerdings feststellen, dass das Publikum mit jedem Jahr um ein Jahr älter wird. Gut, das wird jeder Mensch, so gesehen im Grunde logisch. Als Altersdurchschnitt gerechnet, bei einer ohnehin ansteigenden Schieflage von immer weniger jungen zu sehr viel mehr älteren Menschen, beweist dies jedoch deutlich die rasant zunehmende Gentrifizierung des Mediums. Anders ausgedrückt: mit einer einzigen Ausnahme liegt der Mittelwert bei allen deutlich über 50. Wobei das ZDF mit stolzen 65 erwartbar die Führung der rüstigen Rentner-Polonäse übernimmt, dicht gefolgt vom öffentlich-rechtlichen Jugendsender ARD mit knackigen 64. Wobei die früheren Privat-Party-Animals und gefühlten Jungbrunnen-Schwimmer von RTL und SAT1 mit um die 55 auch lieber nicht mehr zu laut lachen sollten, denn der einstmalige deutliche Generationen-Vorsprung ist inzwischen ebenfalls auf Abklatsch-Armlänge geschrumpft. Selbst der prollige Krawall-Kanal RTL2 mit den wohl meisten ‚Crazy-Young-Asi-People- Brainfuck-Formaten‘ muss inzwischen beschämt zu Boden blicken, wenn auf dem Schülerausweis des Durchschnitts-Zuschauers stattliche 51 als Altersangabe erscheint. Als einziger echter Vertreter der Unter-50-Generation darf sich derzeit ProSieben mit sehr gut durchgebratenen Backfischen von juvenilen 44 behaupten, wobei man aber die anvisierte Kernzielgruppe dummerweise bei unrealistischen 14-39 definiert.

Womit wir beim Hauptproblem wären – denn ein Zuschauer ist nun mal immer so alt wie er/sie ist und hat grundsätzlich kein Alters-Shaming verdient. Blöd nur, wenn fast jeder Sender seine werberelevante Zielgruppe immer noch unverändert illusorisch mit den längst überlebten 14-49jährigen beschreibt. Und damit also gezwungen ist sich für die Existenzberechtigung bei einem Publikum anzubiedern, das einen im Grunde gar nicht wirklich sehen will. Das ist ungefähr so, als würde man im fast leeren Großen Speisesaal des Altenheims einen flotten Disco-Abend ausrichten, zu dem pflichtbewusst nur eine Handvoll gelangweilter Enkel erschienen ist – während die Türsteher die langen Schlangen der tanzwilligen Oldie-Bewohner nicht reinlassen, weil sie zu alt für ihre eigene Veranstaltung sind.

Vielleicht wäre es für die TV-Sender hilfreich, langsam die simple unverrückbare Wahrheit zu akzeptieren. Alter ist keine Schande, aber die ewige Leugnung der Realität ist irgendwann nur peinlich. Und sich in existenzieller Abhängigkeit mit aufgewärmten Retro-Shows und weichgespülten Senioren-Programmen bei einer imaginär-statistischen, desinteressierten Jugend anzubiedern, ist ungefähr so cool wie Eltern, die in den viel zu engen Klamotten ihrer Kinder auf deren Abi-Party betrunken beim Ententanz den jungen Leuten die eigene Coolness beweisen wollen. So blöd muss man doch nicht sein!

Schönschnippeleien

Es gab eine Zeit, da wurden ästhetisch herausfordernde Menschen von den TV-Sendern einfach ungefragt von der Straße gefischt und einem optischen Upgrade unterzogen, um das positive Gesamtbild der Umgebung nicht mehr zu stören. Diese doku-soapigen Aufpimp-Paraden schienen verschwunden, jetzt aber hat SIXX gleich zwei neue Verschönerungs-Schnippelein am Start: das flotte Frisier-Format mit dem hairlichen Titel CUT IT – DIE VORHAIR NACHHAIR SHOW sowie VERPFUSCHT – EIN FALL FÜR DIE BEAUTY-DOCS! Werden bisher allerdings kaum geschaut – wahrscheinlich weil die Leute inzwischen lieber ein paar freundliche Hackfressen um sich herum ertragen als noch mehr von diesem überdreht stinklangweiligen Umstyling-Murks!

Liebesdampfer

Ich wiederhole mich gern: solange auch nur ein einziger unglücklicher Single in Deutschland alleine zu Bett muss, kann es einfach nicht genug Verkupplungs-Formate geben! Daher geht Wayne Carpendale für die neue VOX-Dating-Show HERZ AN BORD – FRISCH VERLIEBT AUF HOHE SEE nun bald als germanischer Love-Boat-Kapitän ans Paarungs-Steuer. Vier einsame Frauen dürfen dann wechselnde Männer als riemige Reisebegleiter austesten, bis sie sich unsterblich verlieben, alle Typen über die Planke gegangen sind oder der ganze Bums wegen Quotenschwund abgesagt wird. Tinder Ahoi!

Beziehungschaos

Okay, die Zahl der Dating-Formate wurde aufgestockt, kümmern wir uns jetzt also um die Probleme bei bereits bestehenden Beziehungen! Derer gibt es viele, und RTL möchte nun mit schmierigem Schmunzeln dabei helfen, sie zu lösen. Weshalb man sich für diese sensible Aufgabe einen so fachlich kompetenten wie auch emotional einfühlsamen Experten geholt hat: Mario Barth! Und ja, das war schon der beste Gag der ganzen Sendung. Unter dem Titel MARIO BARTH RETTET DEINE LIEBE wird er versuchen, sich mit Promi-Kollegen um diverse ‚Bedrohungen für unsere Zweisamkeit‘ zu kümmern. Schlimmer als das klingt, kann es eigentlich gar nicht mehr werden. Obwohl… wir reden von RTL!

Die #SchleFaZ-Wunschfilm-Deutschland-Tour 2024

Tickets

19:00 Hamburg Friedrich-Ebert-Halle
19:00 Bremen Pier 2
19:00 Lübeck Kolosseum
19:00 Rostock Moya
19:00 Leipzig Haus Leipzig
19:00 Frankfurt Batschkapp
AUSVERKAUFT
19:00 Saarbrücken Garage
19:00 Kaiserslautern Kammgarn
19:00 Magdeburg AMO
19:00 München Alte Kongresshalle
19:00 Stuttgart Theaterhaus
19:00 Erfurt Alte Oper