#SchleFaZ-Tour-Tickets:

Auf die Länge kommt es an

711 | TVS 14/22

Vielleicht ist es Ihnen noch gar nicht aufgefallen, weil immer nur darüber geredet wird, dass Alles immer teurer wird – es wird auch Alles immer länger! Also jedenfalls Alles, was man so im Fernsehen, Kino, beim Streaming oder auf sonstigen Unterhaltungs-Plattformen geboten bekommt. Früher jedenfalls war Alles noch wesentlich kürzer und nach ungeschriebenen Gesetzen fest geregelt: Ein Song ging drei Minuten, alles andere war Oper. Ein Film lief zwischen 90 und 120 Minuten – war er knapper, hatte das Geld für mehr nicht gereicht, war er länger, nannte man ihn Monumentalfilm. Eine TV-Show dauerte am Vorabend nur 45 Minuten, in der Primetime anderthalb Stunden. Oder zwei, wenn Kulenkampff oder Gottschalk moderierte. Eine Serienfolge wurde innerhalb einer halben oder dreiviertel Stunde abgehandelt und war in sich abgeschlossen, außer es war eine Soap. Oder eine Mini-Serie, aber auch die erzählte eine geschlossene Geschichte ohne Aussicht auf Fortsetzung. Punkt. Es gab zwar auch immer mal vereinzelte Ausnahmen, aber generell waren dies die kollektiv akzeptierten Richtlinien, die niemand zu hinterfragen wagte.
Heute leben wir in anderen Zeiten. Lieder gehen so lang sie wollen und haben oft noch nicht einmal den Anstand, einen gruppengröl-tauglichen Refrain zu liefern, weshalb die Superhits-Sender lieber weiter die genormten Superhits der 80er und 90er spielen als den rebellischen Rotz von Heute. Kino-Blockbuster mit Überlänge sind Standard und nicht selten so lang wie eine mehrteilige Mini-Serie, nur ohne offizielle Pisspausen. Daytime-Shows überschreiten zwar immer noch nicht die One-Hour-Grenze, werden aber dafür meist so oft auf diversen Partner-Stationen wiederholt, dass man sich wie in einer interstellaren Endlosschleife der boulevardesken Belanglosigkeit gefangen fühlt, deren Grenzen von den grinsegalaktischen Türstehern Lichter, Pflaume und Pilawa bewacht werden. Bei amtlichen Live-Event-Spektakeln im Hauptabendprogramm hingegen scheinen sich vornehmlich RTL und Pro7 seit Jahren durch gewaltsam-exzessive Format-Überdehnungen eine unbarmherzige Schlacht um die Toleranzgrenze des Publikums zu liefern. Wobei die ausgewalzte Entertainment-Fläche vorrangig den Nährboden bietet für überbordend sprießende Pflanzungen üppig wuchernden Werbungs-Wildkrauts.
Die Mitternacht ist dabei längst keine natürliche Grenze mehr, und eine Show, die noch am selben Kalendertag endet, wird als triviale Quickie-Kurzstrecke belächelt. Das erklärte Ziel ist das Ziehen bis zum Morgengrauen: leichter Spannungsabfall nach Zwölf damit ein Großteil der Glotzgemeinde an der Fernbedienung einschläft, zum Frühstück Zusammenfassung der Nacht und fix das Finale, bevor es zur Arbeit geht oder sonntags zum Brunch. Hat man sich daran gewöhnt, wird die komplette Woche angepeilt und schließlich für jedes Erfolgsformat ein eigener Sender mit flankierenden Backstage-Klatsch-Magazinen. Mit der katholischen Kirche wird zudem über die unbeschränkte Ausstrahlung im Jenseits verhandelt, allerdings verlangt der Vatikan derzeit noch einen unverschämt großen Anteil der Werbe-Einnahmen. Wir halten Sie auf dem Laufenden – Zeit genug haben wir ja!

Könner-Männer

Die Rolle-Rückwärts-Retro-Frequenz in SAT1 wird immer geringer! Jetzt wird ein Format ungefragt reanimiert, das erst vor noch nicht mal zehn Jahren ins künstliche Koma versetzt wurde und eigentlich ganz angenehm friedlich vor sich hinschlummerte: MEIN MANN KANN! Die total verrückte Show, in der wilde Frauen darum pokern, wie erfolgreich ihr jeweiliger Ehegatte diverse Aufgaben erledigen kann. Viele Männer kennen diese Fremdscham-Momente nur noch aus der Kindheit, wenn Mama sie im Stolz-Überschwang vor anderen Eltern blamierte – aber man ist ja nie zu alt für eine Extraportion Peinlichkeit!

Krasser Crazy-Kram

Im deutschen TV wird nicht nur besonders gern gecastet, gekocht und gequizzt, sondern auch gerankt! Sogenannte Ranking-Formate, in denen überschaubar leidenschaftlich lächelnd die jeweils 10, 25 oder 82 Best-of-Wasauchimmer-Dinge hintereinander wegpräsentiert werden, sind weiterhin publikumswirksam, erfrischend unaufwändig und auch nicht allzu teuer. Daher präsentiert uns RTL2 nun KRASS & CRAZY mit den 20 verrücktesten Campern und Wohnmobilen, präsentiert von einer irgendwo wohl bekannten Influencerin. Später dann irgendwann mit irgendwelchen anderen krassen Sachen und crazy Moderatoren oder Innen, weiß noch keiner. Kommt wahrscheinlich auch gar nicht so weit!

Scheiß-Fernsehen

Manchmal fällt es schwer, die Strategie von Pro7 zu verstehen: da bewies man in letzter Zeit vielfach, dass innovativ-intelligentes Entertainment sehr wohl funktionieren kann, reißt dann aber den gerade mühsam aufgebauten guten Ruf lachend und krachend mit dem Arsch wieder ein und verkündet Wiederholungen sowie neue Folgen von BALLS – FÜR GELD MACHE ICH ALLES! Wohl fraglos das widerwärtigste Vorführ-Format im deutschen Fernsehen, in dem das Publikum sich für kleine Geldbeträge durch Eigenurin-Trinken, Kopf-in-Kacke-packen oder Face-Furzing maximal erniedrigen und auslachen lassen muss. Für Geld machen anscheinend auch die meisten Sender Alles. Leider.

Die #SchleFaZ-Wunschfilm-Deutschland-Tour 2024

Tickets

19:00 Hamburg Friedrich-Ebert-Halle
19:00 Bremen Pier 2
19:00 Lübeck Kolosseum
19:00 Rostock Moya
19:00 Leipzig Haus Leipzig
19:00 Frankfurt Batschkapp
AUSVERKAUFT
19:00 Saarbrücken Garage
19:00 Kaiserslautern Kammgarn
19:00 Magdeburg AMO
19:00 München Alte Kongresshalle
19:00 Stuttgart Theaterhaus
19:00 Erfurt Alte Oper