697 | TVS 26/21

Jedes Jahr zur Weihnachtszeit erlebt der Mensch seinen ganz persönlichen Murmeltier-Tag – das zermürbende Leben in der sich stets identisch wiederholenden Endlos-Schleife der künstlichen Festlichkeit, in der funkelnde Lichterketten blinken, Glöckchen klingen und jeder Furz nach Spekulatius duftet. Wie auf ein geheimes Signal der Engelein stapeln sich plötzlich in sämtlichen Supermärkten die Paletten mit mumpfigem Lebkuchen-Geklumpe, als Adventskalender getarnte Restmüll-Reservoirs sprießen aus dem Boden und allerorten öffnen die Weihnachtsmärkte, um uns zu Last Christmas-Dauerbeschallung mit fettigem Spritzgebäck, lauwarmer Lumumba-Lulle und knoblauchgeschwängerten Champignon-Riesenpfannen anzulocken. Das zwanghafte Streben nach Ruhe und Besinnlichkeit führt zu Stress und Aggression, und je stärker man versucht, sich dem hektischen Weihnachtstrubel zu entziehen, desto stärker wird man in seinen Strudel gezogen. Überall plant man alkoholintensive Weihnachtsfeiern und Pflichtfestivitäten mit all jenen nervigen Verwandten, denen man die vergangenen Monate über erfolgreich ausweichen konnte.

Und gerade wenn all diese umtriebigen Aktionen und Planungen sich dem Höhepunkt nähern, bemerkt man im Regierungssitz am Nordpol, dass die doofen Corona-Infektionszahlen, genau wie von den uncool mahnenden Wissenschafts-Spießern prognostiziert, absolut unerwartet in die Höhe schießen, das aktiv unterfinanzierte Gesundheitssystem zu zerbrechen droht und man blöderweise komplett verschwitzt hatte, sich auf den pandemischen Winter vorzubereiten. Was gewöhnlich dazu führt, dass man sich wortreich entschuldigt mit dem Hinweis, dass berechtigte Kritik jetzt aber auch nicht helfe, da man nun dringend nach vorne schauen und theoretisch sogar handeln müsse. Weshalb man in letzter Konsequenz wie in jedem Jahr einen rituellen X-mas-Lockdown ausrufen muss, von dem man im Sommer noch mit stolzer Ignoranz dummdreist behauptet hatte, dass es ihn niemals wieder geben würde. Dumme Sache, aber Shit Happens halt, und politisches Versagen kann ja auch eine Art beruhigende Beständigkeit vermitteln, wenn es nur in konstanter Verlässlichkeit passiert.

Blindkauf

Die Grenze zwischen Hilfe und Häme ist so dünn wie zwischen Freude und Demütigung. Denn keiner weiß, was dabei herauskommt, wenn man ein Haus kaufen möchte, das gesamte Geld und alle Entscheidungen aber in die Hände semi-professioneller Makler, Designer und Bau-Experten geben muss, ohne weiter selbst mitsprechen zu dürfen. So demnächst zu sehen bei BUYING BLIND auf RTL, wo am Ende den Kandidaten nur noch das Gekrakel beim Notar bleibt, bevor man ihnen ihre neue Traumbehausung präsentiert – in der sie von nun an wohnen müssen, auch wenn sie es scheiße finden. Danke für Nichts!

Liebeswerbung

Wenn man schon krampfhaft absolut alles aus einem komplett ausgewrungenen Genre herausgewürgt hat, aber irgendwie trotzdem noch Werbung zu verkaufen hat, die sonst keiner sehen will, dann verrührt man einfach beides zu einem matschig-peinlichen Pampe-Brei, auch wenn der niemandem schmeckt. So schiebt man die gescheiterten Zwangsverheirateten von HOCHZEIT AUF DEN ERSTEN BLICK in SAT1 jetzt einfach zu LIEBE AUF DEN ERSTEN KICK – DIE LOVOO & JOCHEN SCHWEIZER EXTREM-DATING-SHOW (oder kurz #LADEKDLUJSEDS), wo die armen Loser nun auf den zitierten Online-Kuppel-Plattformen werbewirksam neue GV-Partner finden und ausprobieren müssen. Für alle, die einfach nicht oft genug verlieren können!

Bildstörung

Seit einem Vierteljahr ist Deutschland mit einem neuen Pseudo-News-Sender namens BILD TV gesegnet – und wenn man der Top-Präsentation in der BILD glauben darf, muss der echt ein Mega-Knaller sein! Leider erweist sich der selbst produzierte Live-Anteil trotz schönster Empörungs-Talks mit einem durchschnittlichen Marktanteil von 0,1% als Mega-Flop, weshalb man bei Live jetzt weniger Live senden und mehr wiederholen wird. Seltsam, dass man von diesem krassen Totalversagen noch gar nichts in der BILD lesen konnte!