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Oliver Kalkofe rechnet mit dem deutschen Fernsehen ab

Florian Meyer/Express Köln Es wird wieder gelästert, parodiert und angeprangert: „Kalkofes Mattscheibe“ startet am 12. Oktober auf Tele 5 nach vier Jahren TV-Abstinenz in eine neue Runde (immer freitags, 20 Uhr). Wir trafen Deutschlands TV-Kritiker Nummer eins und sprachen mit ihm über die aktuelle Situation in der Branche, das ein oder andere „Format aus der Hölle“ und den Stand der Produktion seines neuesten Kinofilms.

Herr Kalkofe, was hat sich in den letzten vier Jahren im deutschen Fernsehen geändert? Die meisten Leute sagen, dass alles viel schlimmer geworden ist.

Ja, aber es ist noch viel, viel schlimmer geworden, das ist das Traurige daran. Nach jeder Pause seit dem Start von „Kalkofes Mattscheibe“ im Radio 1991 werde ich gefragt, ob es schlimmer geworden ist. Und jedes Mal habe ich mir gewünscht, und das meine ich wirklich ehrlich, auf die Frage mal „Nein“ antworten zu können. Aber es ist wirklich jedes Jahr immer schlimmer geworden. Und jetzt gerade erlebe ich den absoluten Tiefpunkt!

Was ist denn aktuell so schlimm?

Ein Großteil des Fernsehens ist inzwischen komplett davon abgerückt, den Zuschauer unterhalten zu wollen – oder auch nur so tun, als ob! Es ist so weit, dass das Fernsehen nicht mal mehr vorgibt, den Zuschauer zu mögen. Das Publikum wird verachtet und als saublöd, grenzdebil und ekelerregend empfunden – und es wird auch so dargestellt!

Wie das?

Die Sender produzieren momentan – und das breitet sich metastasenartig aus – größtenteils so genannte ‚Scripted Realitys’, die hauptsächlich zwei Dinge verbinden: Sie sind schlecht und billig! Man castet einfach Leute von der Straße, die einem auffallen weil sie besonders dick oder hässlich sind oder so aussehen, als wären sie schon im Knast gewesen. Und dann fragt man die „Möchtest du mal zum Fernsehen und ein paar Euro verdienen?“ Das machen die meisten auch mit, denn für sie ist das wirklich was Besonderes – das hätte ich früher wahrscheinlich sogar genauso gemacht. Die haben ja keine Ahnung, wie sie da finanziell und menschlich verhöhnt werden, indem man ihnen einen Fuffi gibt, tagelang bei ihnen zu Hause dreht, ihren Strom anzapft und mit dem Arsch noch die Einrichtung umreißt.

Außerdem kriegen die ja nicht einmal Drehbuch – denn auch die Autoren werden schließlich gespart – sondern nur eine völlig geisteskranke Storyline, die ein behinderter Schimpanse zusammengetippt hat. Die Billiglohndarsteller sollen das dann improvisieren, irgendwer filmt das ganze irgendwie mit, den Rest löst man im Schnitt. Man spart dabei einfach alles, was eigentlich Fernsehen ausmacht: Autoren, Schauspieler, Lichtsetzer, Maske, Kostüm, etc. Am Ende hat man ohne Mühe für einen absoluten Spottpreis eine Stunde Sendezeit gefüllt.

Gibt es eine Sendung, vor der Sie besonders warnen können?

Nein, man kann sie ja gar nicht mehr auseinander halten. Ob die Sendung nun „Verdachtsfälle“ heißt oder „Betrugsfälle“, „Reinfälle“ oder „Durchfälle“, ist egal: Das ist alles dasselbe! Sie sind alle gleich…schlimm.

“Schwer verliebt” und “Berlin Tag & Nacht”

Können Sie das denn überhaupt noch satirisch auffangen und parodieren oder können Sie bei solchen Sendungen nur noch davorsitzen und sich schämen?

Das satirisch zu überhöhen wird sehr schwer, denn da muss ich ja einen Schritt weitergehen: Ich muss versuchen, in meinen Sketchen den Leuten zu erklären, was da eigentlich passiert. Also dass dort in einer Sendung Menschen zu Vollidioten gemacht werden, die in Wirklichkeit gar nicht so sind. Und die Bösen, also die Menschen, die daran Schuld haben, die sieht man ja kaum. Die meisten Verantwortlichen verstecken sich hinter der Kamera mit süffisanten Off-Kommentaren – es ist ein feiges Fernsehen geworden!

Kann es denn jetzt überhaupt noch schlimmer kommen?

Bei allem was ich aktuell so an Auswüchsen gesehen habe, muss ich sagen: Es sind alle Grenzen gefallen! Sowas wie Moral, Anstand und Verantwortung gibt’s nicht mehr. Das Fernsehen ist, mal abgesehen vom Internet, das größte Massenmedium. Da sollte man zumindest noch einen Hauch Verantwortung dem Publikum gegenüber besitzen!

Sendungen wie „Schwiegertochter gesucht“ und „Schwer verliebt“ müssten Ihnen ein großer Dorn im Auge sein…

Oh ja. Ich habe zu „Schwer verliebt“ gerade was vorbereitet, und beim Sichten habe ich nur gedacht: „Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Menschen so viel Kuchen essen sehen!“ Das ist wirklich bitter. Diese beiden Sendungen sind wirklich zwei bitterböse Formate direkt aus der Hölle, die keinen anderen Anspruch haben, als Leute vorzuführen und sich über sie lustig zu machen. Menschen, die nah am betreuten Wohnen vorbei geschrammt sind und eigentlich geschützt und behütet werden müssten, nicht ausgelacht. Das ist billig, schamlos und widerlich, das kann man auch nicht schön reden!

Sprechen wir einmal über ein aktuell sehr erfolgreiches Beispiel: Was halten Sie von „Berlin Tag & Nacht“?

Diese Sendung verwischt die Grenzen zwischen Scripted und Reality sehr – und sie ist ein Phänomen. Hier hat man es irgendwie geschafft, einen interessanten Mix hinzukriegen: Man guckt sich das an und denkt „Oh Mann, wie scheiße ist das denn“, hat aber trotzdem noch Spaß daran. Und es ist von den Sachen, die aktuell im Fernsehen zu sehen sind, einen winzigen Hauch professioneller und multimedial durchdacht. Also ich persönlich find die Sendung scheiße, aber ich kann mir den Erfolg zumindest erklären.

Wenn man all diese Kritik hört, muss man sich ja fragen, ob wöchentlich 15 Minuten „Kalkofes Mattscheibe“ ausreichen, um all das aufzuarbeiten…

Nein, eigentlich reichen 15 Minuten nicht aus. Aber mehr schaffe ich einfach nicht, denn hinter der Sendung steckt ein Riesenaufwand. Ich muss so viele Fernsehausschnitte sichten und aufbereiten, da bleibt kaum Zeit für mehr.

So entsteht „Kalkofes Mattscheibe“ und das denkt Kalkofe über „Wetten, dass..?“ und „Das Supertalent“

Sichten Sie wirklich alles selber?

Ja, einhundertprozentig. Die Zuschauer können mir unter www.kalkwatch.de Tipps geben, was ich mir mal anschauen soll. Wir nehmen über 20 Sender rund um die Uhr auf und dann gucke ich mir die Sachen alle persönlich an und wähle selbst aus, was in die Sendung kommt. Ansonsten müsste man eine riesige Redaktion aufbauen. Das wäre möglich, aber kostet ja viel Geld. So ist es günstiger, aber leider auch ein brutaler Aufwand.

Was wird denn neu bei „Kalkofes Mattscheibe“?

Wir wollen sehr viel aktueller werden. Es sind 30 Sendungen geplant und wir werden mit der Zeit immer stärker Bezug auf laufende Sendungen nehmen können. Die ersten Teile produzieren wir zwar schon jetzt, aber später werden wir die Sendung mit drei Wochen Vorlauf und sehr aktuell drehen.

Und Sie haben einen neuen Sender…

Ich bin Tele 5 sehr dankbar und bin echt begeistert von der Zusammenarbeit. Das ist zwar ein kleiner Sender, aber die trauen sich wenigstens noch was! Die haben jetzt mit mir, Christian Ulmen, Benjamin von Stuckrad-Barre und Peter Rütten vier Leute geholt, die in einer gerechteren Welt auf größere Sender gehören würden, wenn die nicht in Wirklichkeit zu ängstlich, dumm oder geizig wären. Aber bei Tele 5 macht man noch Programm, das den Machern selber Spaß macht. Das zeugt von großer Coolness und Weitsicht, die haben ihre Nische gefunden und werden sie intelligent ausbauen.

Am 6. Oktober läuft zum ersten Mal „Wetten, dass..?“ mit Lanz und gleichzeitig „Das Supertalent“ mit Thomas Gottschalk. Was schalten Sie ein?

Was mich mehr interessiert, ist „Wetten, dass..?“, weil ich gespannt bin, ob sie was am Format geändert haben. Da will ich aber nicht gleich draufknüppeln. Alle Journalisten haben da schon die Messer gewetzt, aber wenn das ZDF in der Tat am Konzept gearbeitet hat, fände ich das ehrlich gut und mutig. Genau das Gegenteil passiert beim „Supertalent“: Das ist nämlich im Grunde stinklangweilig, da sich nichts verändert, bis auf die Mitglieder der Jury neben Bohlen. Der einzige Grund, warum die Leute zuschauen werden, ist quasi, Gottschalk scheitern zu sehen. Ansonsten ist es die gleiche Sendung, die wir seit Jahren wiedersehen.

Wenn wir schon über eine Castingsendung reden, nehmen wir doch mal DSDS dazu. Wie lange werden solche Sendungen noch Erfolg haben? Müssten nicht inzwischen alle Teilnehmer gemerkt haben, dass sie da übel vorgeführt werden können?

Trottel findest du komischerweise immer genug. Das ist ja das Böse und Perfide an DSDS. Früher hat man das sich noch wegen Bohlen und seiner Sprüchen aufgeregt. Der ist inzwischen aber nebensächlich und fast harmlos geworden. DSDS und Supertalent ziehen ihren Spaß fast nur noch daraus, traurige Deppen als Supertrottel vorzuführen. Und das macht die Redaktion, das sind die Menschen hinter der Kamera, die das Bild wackeln lassen, wenn ein dicker Mensch reinkommt oder den Kandidaten digital die Ohren lustig vergrößern. Das ist nicht mehr lustig, sondern böswillig.

Deutschlands härtester TV-Kritiker über gutes Fernsehen und den dritten Teil seines Kino-Hits „Der WiXXer“

Was gibt es denn überhaupt noch Gutes im deutschen Fernsehen?

Also es gibt schon eine Handvoll Sendungen, die man da nennen kann: „heute show“, „Pastewka“, „Stromberg“ oder „Switch reloaded“ etwa. Es gibt auch einige gute Fernsehfilme und Tatort-Folgen, aber die letzte gute deutsche Fiction-Serie, die ich gesehen habe…? Hmmmm….

„Danny Lowinski“ vielleicht?

„Danny Lowinski“ und „Der Letzte Bulle“ waren aus Versehen Treffer. Die lagen ja schon lange im Keller bei Sat 1, weil sie sich nicht getraut haben, die zu senden. Ja, die sind ganz nett geworden. Aber auch nichts, was mich jubeln lässt. Im Gegensatz dazu gibt es in Amerika und England, wo auch eine Menge sehr minderwertiges Fernsehen gemacht wird, Serien, bei denen ich vor Begeisterung niederknien möchte. Ich denke da etwa an „Sherlock“, „Mad Men“, „Dexter“ oder „Breaking Bad“…

Also traut sich das Deutsche Fernsehen nicht genug?

Genau! Und so viel Scheiße die Privatsender auch bauen, will ich die öffentlich-rechtlichen Sender aber nicht aus der Kritik nehmen. Die stehen nämlich gerne einfach grinsend daneben und sagen: „Jaja, diese Privaten, sowas machen wir zum Glück nicht!“ Stimmt – die machen nämlich gar nichts! Von den Öffentlich-Rechtlichen ist in den letzten 30 Jahren keine einzige Innovation ausgegangen. Keine einzige! Die machen nur alles nach und ruhen sich aus, statt uns zu überraschen und kreativ zu herauszufordern. Eigentlich müssten sich die Verantwortlichen jeden Tag vor der Tagesschau bei den Zuschauern dafür entschuldigen, dass sie trotz aller Faulheit die Gebühren kassieren, und sich dann eine Stunde in die Ecke stellen und schämen. Und das sollte man dann live übertragen.

Sie haben eben „Switch reloaded“ als positives Beispiel genannt.

Ja, die Sendung mag ich sehr! Die können eine Menge mehr machen als ich, weil sie einfach so ein tolles Team haben mit begnadeten Parodisten. Die können sich für jedes Parodie-Opfer den aussuchen, der es von ihnen am besten kann – darauf bin ich echt neidisch. In der Mattscheibe muss immer ich jeden spielen, ob ich ihn nun gut kann oder nicht. Deswegen denke ich bei den Switch-Kollegen immer: „Hut ab, Respekt!“

Sie werden häufig als Kämpfer gegen die Verblödung im deutschen Fernsehen bezeichnet – ist das nicht ein Kampf gegen Windmühlen?

Ja, das ist es leider. Anfangs war ich noch euphorisch und dachte, dass man was ändern könnte. Heute weiß ich, dass ich höchstens mal einen kleinen Impuls zum Umdenken geben kann. Vielleicht denkt ja doch irgendwann nochmal jemand ein bisschen nach. Und für die Zuschauer ist es gut – die können nämlich einmal ihre gesammelte Wut ablassen, indem sie über den Wahnsinn lachen. Es ist das Konzentrat des Schwachsinns plus ein Löffel Medizin dagegen.

Wann können denn eigentlich „Der WiXXer“-Fans mit dem dritten Film der Reihe rechnen? Angeblich kommt er doch im Oktober 2013 ins Kino…?

Wir sind schon ganz lange dabei, den Film auf die Beine zu stellen. Irgendwann schreibe ich vielleicht mal ein Buch, warum das alles so lange gedauert hat. Es gab viele Verwicklungen und Verzögerungen, aber jetzt wollen wir Mitte kommenden Jahres drehen. Ob der Kinostart wirklich im Oktober klappt, weiß ich nicht, aber so lautet der aktuelle Plan.

Was können Sie denn schon zum Inhalt verraten?

Es wird so etwas wie ein „The Dark Knight Rises“ der Comedy-Trilogien werden. Ein episches Finale, das alles Filme miteinander verbindet und auch sehr viel Neues bietet.

Ist Christoph Maria Herbst als Alfons Hatler wieder dabei?

Da gehen wir doch schwer von aus, wir können schließlich nicht führungslos in den Film gehen…

Die #SchleFaZ-Wunschfilm-Deutschland-Tour 2024

Tickets

19:00 Hamburg Friedrich-Ebert-Halle
19:00 Bremen Pier 2
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