Deutschlands TV-Lästerer Nummer eins im NP-Interview: Mit den Redakteuren Stefan Gohlisch und Michael Lange sprach Oliver Kalkofe über wirklich schlechtes Fernsehen. Freitag läuft seine Sendung „Too Hot for Primetime“ auf Tele 5.

Herr Kalkofe, Ihre „Mattscheibe“ läuft und läuft und läuft … Der Stoff geht wohl nie aus?

Nee. Nächstes Jahr feiere ich 20 Jahre Fernsehmattscheibe, und beim Radio bin ich da ja schon drüber – bei ffn fing das 1991 an. Damals habe ich gedacht, das kann ich nicht lange machen, ich habe das bald alles durch. Heute weiß ich: Ich kann das ewig machen. Die Leute haben immer gesagt: Was machst du, wenn das Fernsehen besser wird? Die Gefahr besteht nicht? Nein, wirklich nicht. Es gibt so viel, also wirklich so wahnsinnig viel an riesigen Haufen von Exkrementen, die auf allen Sendern laufen, dass da noch ganz viel Platz wäre für gutes Fernsehen. Die Qualität, oder besser: der Mangel an Qualität, hat sich geändert. In den 90ern wollte man beweisen, dass man großes Entertainment machen kann. Man wollte die Leute unterhalten, auch wenn man nicht wusste, wie. Das will man heute nicht mehr.

Worum geht es den Sender- Chefs denn sonst?
Die wollen nur noch Sendeplätze füllen. Was das ist, ist egal. Keiner, der Scripted-Reality-Formate schreibt, ist darauf stolz, da wette ich alles drauf.
Gibt es trotzdem noch so etwas wie eine Lieblingssendung, die Sie vorbehaltlos gern gucken?
Die einzige Sendung, die ich regelmäßig im deutschen Fernsehen gucke, ist die „Heute- Show“ vom alten Oliver Welke. Die ist beim ZDF aus Versehen richtig gut geworden. Am Anfang hat sich dort keiner drum gekümmert, dann sind die Leute darauf angesprungen, es gab Preise und das ZDF hat gemerkt: Oh Mist, da können wir uns nicht mehr einmischen. Da haben sie den Zug verpasst, es zu einem Misserfolg zu machen, wie sonst ihre Programme, und haben versehentlich ein richtig tolles Programm geschaffen. Ein einmaliger Glücksfall im deutschen Fernsehen, wo etwas Kreatives gesendet wird, obwohl es sehr hart und sehr böse ist.

Bei Tele 5 und Ihnen funktioniert es offenbar. Ist die Zusammenarbeit auf Dauer angelegt?
Von mir aus auf jeden Fall, und ich glaube, von Tele 5 aus auch. Mir persönlich ist es absolut egal, auf welchem Sender ich stattfinde, Hauptsache, ich darf stattfinden. Hauptsache, ich darf das machen, was ich möchte. Es war ja ein langer Kampf, um wieder dabei zu sein … Genau. Ich freue mich natürlich auch über viele Zuschauer, aber ich weiß inzwischen, dass die Arbeit bei einem größeren Sender nicht wirklich die kreativere und entspanntere ist. Die Größe eines Senders ist kein wirkliches Zeichen für seine Qualität.

Bei Tele 5 haben Sie Freiräume, demnächst läuft im Spätprogramm das Special „Too Hot for Primetime“. Auf welche schlimmen Sachen müssen wir uns gefasst machen?
Wir haben da ein paar Szenen drin, die sind nach 22 Uhr gelaufen und erst ab 16 Jahren freigegeben. Es gibt aber auch viele Szenen, bei denen haben die Jugendschützer geschluckt und gesagt: „Weiß nicht, ob wir das machen können.“ Das Schöne ist, dass sind alles Sendungen, die sind um 17 Uhr auf Sat.1 oder Pro 7 gelaufen. Wenn man sich das anguckt, sagt man: Das kann ja wohl nicht wahr sein.

Was zum Beispiel?
Zum Beispiel ein Bericht über die sechsthärteste Domina Deutschlands, die einen Typen mit einer Leder-Pferdemaske mit Nadeln sticht, und er muss dabei „Ich wollt’, ich wär ein Huhn“ singen, bis er den Text vergisst. Dann tolle Produkte, die ich bisher auch noch nicht kannte, wie eine elektronische Internet-Onanierhilfe für den Mann. Die sieht aus wie eine große Kaffeetasse, die ans Internet angestöpselt wird. Da sitzen dann irgendwelche Mädels, ziehen sich aus und machen so (macht eine Handbewegung), was dann virtuell auf den Schniedel übertragen wird. Und der sitzt dann vor dem Bildschirm und sagt: ,Ah, jaaah, endlich nicht mehr selber rubbeln. Das war immer so anstrengend. Endlich hab ich die Hände frei und kann meinen Eltern dabei einen Brief schreiben.‘“

Wo lief denn so etwas?
In einem ganz normalen Spätprogramm, auf RTL II oder so. Es ist aber nicht alles versaut und nicht alles nur Schweinkram, was wir in dem Special zeigen. Wir haben alles gebündelt: einiges aus der Schmuddelecke, aber auch andere schöne Sachen aus dem Bereich Late Night.

Zum Abschluss eine Frage, die sich alle Fans vom „Wixxer“ stellen: Wann kommt endlich die dritte Folge vom „Wixxer“, der „Triple-Wixxx“?
Triple WiXXX ist in Arbeit. Es laufen Wetten, was eher fertig wird: der Berliner Flughafen oder Triple-Wixxx. Es sind von der Schwierigkeit her vergleichbare Projekte, aber wir sind da weiter hart dran. Es gibt einen ganz festen Termin, dass wir im nächsten Jahr in der ersten Jahreshälfte drehen wollen, nachdem wir es sieben- oder neunmal angekündigt haben. Also, nächstes Jahr soll er wirklich kommen. Wenn nicht, dann kommt er gar nicht mehr. Oder wir holen uns Hartmut Mehdorn als Regisseur.

Info

Die TV-Karriere von Oliver Kalkofe verlief nach dem „Trial and Error“-Prinzip: „Kalkofes Mattscheibe“ lief zunächst auf dem Bezahlsender Premiere, 1996 gabs den Grimme-Preis. 1999 war Schluss bei Premiere, nach vierjähriger Pause machte er auf Pro 7 weiter, von 2003 bis 2005 und 2008 für eine weitere Staffel. Seit Oktober 2012 produziert der Satiriker die Sendung für Tele 5 – „Kalkofes Mattscheibe Rekalked“ heißt sie nun (freitags, 20 Uhr). Die erste Staffel wurde um zehn Folgen bis Juli verlängert, eine zweite ist in Planung. Die erste Hälfte der ersten Staffel gibt es auf DVD. Kalkofe beschränkt sich bei Tele 5 jedoch nicht auf die „Mattscheibe“: So schuf er fürs Nachtprogramm die „Nichtgedanken“, bei denen er aus Biografien von Zeitgenossen wie Carsten Maschmeyer, Bushido und Bettina Wulff vorlas. Diesen Freitag (22.05 Uhr) läuft ein Special der Mattscheibe unter dem Untertitel „Too Hot for Primetime“ – es geht um „die schmutzigsten Verbrechen des TV-Programms“. Überdies plant Kalkofe, demnächst auf Tele 5 „Die schlechtesten Filme aller Zeiten“ vorzustellen. Ein neues Format, das Kalkofe übers Internet versendet (Youtube, „Tele5.de“, „Kalkofe. de“), ist „Der Fressesprecher“. In der ersten Folge verteidigte er scharfsinnig den mutmaßlichen Steuersünder Uli Hoeneß, in der zweiten Folge ergreift er in „Der Verschweigungsminister und die Drohne der Verklärung“ Partei für Verteidigungsminister Thomas de Maizière – der Clip ist seit Donnerstag online.