#SchleFaZ-Tour-Tickets:

638. Eine Frage des guten Tons (TVS 18/19)

Das gesprochene Wort hat einen entscheidenden Vor- aber auch Nachteil gegenüber dem geschriebenen: man muss es hören! Was dem Sprecher eine gewisse Verantwortung aufbürdet, denn dieser muss sich nicht nur darum sorgen, WAS er sagt, sondern zusätzlich auch WIE er es sagt. Bei gedruckten Lettern darf der Leser die Betonung selbst im Kopf ausführen, wenn er nicht eh mitten im Satz einschläft, beim Zuhören jedoch dient das Ohr lediglich als neutrale akustische Auffangschüssel einer fertig zubereiteten Verbalmahlzeit, die dann allerdings vom Hirn noch verdaut werden muss. Deshalb können selbst die wichtigste Aussage, vernünftigste Idee oder der lustigste Witz auf dem Weg von der Lauschmuschel zur Schaltzentrale verpuffen, wenn Inhalt und Form unglücklich gegeneinander laufen. Andererseits kann aber auch das dümmlichste Geschwätz oder übelste Gedankengut positiv im Brägen verarbeitet werden, wenn es nur mit genügend Überzeugung, Verve und Ausdruckskraft in die Gehörgänge befördert wurde.

Um jegliche Einflussnahme zu vermeiden, galt in den Medien früher die sogenannte Neutralität der Sprache. Die Älteren erinnern sich vielleicht noch, dass bis ungefähr Mitte der Achtziger Nachrichtensprecher, Off-Stimmen und sogar Radio-Moderatoren meist lediglich mit der gelangweilten Leidenschaft eines frühen Navigationssystems mit besonders billigem Sprachcomputer in der Testphase betonten. Mit Aufkommen privater Sender zog langsam auch die Emotionalität in das gesprochene Wort ein, man wollte Gefühle zeigen und vermitteln, auch der Journalist sollte sich von der reinen News-Maschine hin zum besser gebildeten Kumpel von nebenan wandeln. Besonders auffällig wurde der Wechsel im Entertainment-Bereich: die öffentlich-rechtlichen Stationen brachten die gemütliche Schmunzelstimme ins Spiel, hörbare Stimmband-Grübchen, die sämtliche Meldungen mit einem leichten Lächeln überzogen, um den Zuschauern zu vermitteln, dass sie sich rundum sorgenfrei geborgen fühlen dürfen. Durch das pilzartig senderübergreifende Aufkeimen der Boulevard-Magazine mit knackigem Namen und spektakulär belanglosen Promi-News aus der Gossip-Gosse der internationalen Nichtigkeiten entstand zudem die wohl widerlichste Form der professionellen Voice-Over-Ohrenfolter: der plakativ ironische Kommentar. Immer belustigt-amüsiert und stets mit einer zynisch anmutenden Stimmdrehung im Abgang, die sowohl intellektuelle Überlegenheit, smart-sarkastische Selbstgefälligkeit als auch offenkundige Verachtung der medialen Scheinwelt gegenüber ausdrücken soll. Selbstverständlich nur bei gleichzeitig herablassender Heuchelei, servilem Geschleim und kriecherischer  Anbiederung der jeweiligen Halbwelt-Prominenz gegenüber, da man in guten Zeiten ja von deren Gnade abhängig ist. Eine wahrlich ekelerregende Form von Vokal-Kolorit, die nur noch von der koksfröhlich-ekstatischen Dauerheiterkeit moderner Privatradio-Moderations-Lachsäcke getoppt werden kann, die den Hörern eine durchgehend irrwitzige Drogenrausch-Ausgelassenheit mit Mundwinkel-Erektionskrampf vorgaukeln sollen. Nur wer all diese abartigen Akustik-Attacken der menschlichen Kommunikation durchlitten hat, wird letzten Endes ein ehrlich-sympathisches Fresse-Halten zu schätzen wissen.

Fischer-Vollversorgung

Das ZDF hat ein Herz für seine daheimgebliebenen Zuschauer und sorgt dafür, dass diese nicht Atemlos durch den Sommer ohne frische Helene-Häppchen hetzen müssen. Deshalb haben die Mainzer Makrelenjäger ihre Netze ausgeworfen und holen Ende August für alle Fischerfrau-Friends einen Live-Mitschnitt der herrlichsten Helene Fischer – Highlights aus ihrem SPÜRST DU DAS? – Open Air – Programm aus dem Hamburger Volksparkstadion in ihr Boot. Freude, Tränen, Emotionen für die einen – Mumien, Monstren, Mutationen für die anderen. Aber spüren wird sicherlich jeder etwas, wenn auch in unterschiedlichen Körperregionen.

Streaming-Power

RTL greift nach der medialen Weltherrschaft – zumindest in Deutschland. Allerdings nicht nur wie bisher linear, sondern mit seinem neuen Streamingdienst TVNOW nun auch im Internet. Dort sollen nämlich nicht nur Wiederholungen, sondern auch jede Menge frischer und teils exklusiver Inhalte aus dem Reality-Bereich laufen, wie zB die neue Staffel von TEMPTATION ISLAND, PARADISE HOTEL, WELCOME TO MIAMI, die erste reine Männer-Dating Show PRINCE CHARMING und die BACHELRORETTE als Preview. Eigentlich ja ne schöne Idee – im Netz ist viel Platz um Müll zu verbuddeln, und unser gutes altes Fernsehen bleibt sauber. Wer weiß, vielleicht wachsen im sauren Boden auf dem verseuchten RTL-Acker irgendwann sogar mal wieder ein paar echte Blumen! Man wird ja mal träumen dürfen…

Flop-Solidierung

Wann immer im Ersten mal wieder eine nicht ganz so tolle Idee nicht ganz so gut klappt, man aber keine bessere hat und das nicht zugeben will, wird ihr garantiert das Vertrauen ausgesprochen. So wie jetzt dem dümpelnden Banalitäten-Stelldichein der Überflüssigkeit namens LIVE NACH NEUN. Braucht kein Mensch, ist quasi genau dasselbe wie die gleichzeitig ausgestrahlte VOLLE KANNE im Zweiten, nur halt in leer. Läuft eher schlecht, verhagelt den Kollegen aber die Quoten, das reicht als Existenzbegründung – und wurde deshalb bis mindestens Ende 2020 verlängert. Dafür zahlen wir doch gern!

Die #SchleFaZ-Wunschfilm-Deutschland-Tour 2024

Tickets

19:00 Berlin Urania, Humboldtsaal
19:00 Berlin Urania, Humboldtsaal
AUSVERKAUFT
19:00 Hannover Theater am Aegi
19:00 Köln Theater im Tanzbrunnen
AUSVERKAUFT
19:00 Hamburg Friedrich-Ebert-Halle
19:00 Bremen Pier 2
19:00 Lübeck Kolosseum
19:00 Rostock Moya
19:00 Leipzig Haus Leipzig
19:00 Frankfurt Batschkapp
AUSVERKAUFT
19:00 Saarbrücken Garage
19:00 Kaiserslautern Kammgarn
19:00 Magdeburg AMO
19:00 München Alte Kongresshalle
19:00 Stuttgart Theaterhaus
19:00 Erfurt Alte Oper