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410. Fernsehen als Strafe (TVS 24/10)

Glaubt man den zahlreichen Zeitungsberichten, so muss die Aufzeichnung zur ersten Folge von Pilawas neuer ZDF-Sensations-Quizshow RETTE DIE MILLION eine sehr spezielle gewesen sein. Laut Zeugenaussagen so irgendwo zwischen Geiselnahme, Nahtoderfahrung und Kaffeetrinken in Guantanamo. Von der Show selbst mal ganz zu schweigen. Anscheinend wurde das Publikum über sieben Stunden ohne Wasser und Brot im Studio eingesperrt und bei Rotlicht zum Freuen und Klatschen gezwungen. Selbst der Gang zur Toilette wurde verweigert. Für das Privileg, die neue Frisur von Pilawa live erleben zu dürfen, könne man ja wohl mal ein paar Stunden die Wurst abklemmen und unter den Nachbarsitz strullen, hieß es nur. Außerdem ging man bei der Produktionsfirma davon aus, ZDF-Publikum wäre ohnehin mit Kathetern ausgestattet.
Zum einen kam es zu erheblichen Verzögerungen bei der Aufzeichnung (Umbauten, Konzept überlegen, Regisseur suchen, Spielregeln nachlesen, Mittagsschlaf, Pilawas neue Frisur, vor der Tür rauchen, Team-Fondue, gewerkschaftlich vorgeschriebene Pausen für Drogen und Geschlechts-verkehr), zum anderen aber wurden die Zuschauer selbst nach Ende der Sendung von Bodyguards noch am Verlassen des Studios gehindert. Angeblich aus ‚versicherungstechnischen Gründen’, weil erst noch das gesamte Bargeld gezählt werden musste, das es zu gewinnen gab. Hätte ja sein können, dass sich einer der gierigen arbeitslosen Kleinkriminellen aus dem Publikum während der Aufzeichnung von den Kameras unbemerkt auf die Bühne geschlichen und 50 Euro gemopst hat. Am Ende soll sogar Pilawa selbst geweint haben, wahrscheinlich aber nur wegen seiner neuen Frisur. Aktuellen Meldungen zufolge sind sämtliche Zuschauer inzwischen freigelassen und befinden sich in zumindest körperlich guter Verfassung.
Die Regierung überlegt nun, ob man in Zukunft nicht das Unangenehme mit dem Nützlichen verbinden könne und von vornherein nur noch verurteilte Straftäter als Saalpublikum für Show-Aufzeichnungen vermittelt. Unschuldige würden dadurch geschützt und die Teilnahme könnte von der Haftzeit abgezogen werden, je nach Härtegrad (Pilawa-Sendungen = acht Monate, Kerner/Pocher = ein bis zwei Jahre, Winterfest der Volksmusik = sofortige Freilassung). Wer nicht ordentlich klatscht oder begeistert genug guckt, bekommt Einzelhaft, aber mit eingeschaltetem TV-Gerät ohne Abschaltknopf. Als humanere Alternative bleiben auf Wunsch immer noch Waterboarding oder das Erschießungskommando.

STARS AM ENDE

1. Zum Heulen

Es wird ja viel zu wenig verziehen im deutschen Fernsehen. Deshalb wird nun endlich eins der schönsten Schmalz- und Schluchzformate aus dem Lokus der TV-Geschichte zurück in den Äther gespült: Verzeih mir! Allerdings nicht mehr mit Ulla Knapp im Schritt und auch nicht mehr im Studio (viel zu teuer), sondern schön billig mit Handkamera, laut RTL jetzt als ‚Emotainment-Doku’. Das bedeutet: unbekannte Moderations-Else mit aufgespritztem Krokodilstränenkanal geht klingeln bei Leute wo sich gestritten haben, Alter! Und dann Heule-Heule, ey sorry ey, alles gut, ich verzeih dich, umarm umarm, rotz rotz, Klappe zu, Affe tot. Kann man so eine Sendung wirklich verzeihen?

2. Zum Klagen

Es gibt ja viel zu wenige Gerichts- und Anwaltsserien im deutschen Fernsehen. Vor allem in SAT1. Deshalb schändet man dort jetzt einen klassischen alten Serientitel und füllt ihn mit neuem Inhalt aus der Recycling-Restmülltonne: Die Zwei – Anwälte mit Herz. Das ganze natürlich nicht als richtige Serie (viel viel zu teuer!), sondern als schön billige Scripted Reality-Dokusoap aus dem Legaltainment: Zwei Anwälte gehen zu die Leute wo Streit haben, labern mit alle, verhandel verhandel, Lösung-ohne-Gericht-find (weil zu teuer), Feierabend. Kann man einen Sender für so einen Müll eigentlich verklagen?

3. Zum Schreien

Es gibt ja viel zu wenige Preisverleihungen im deutschen Fernsehen. Umso trauriger, dass die meisten von ihnen mehr und mehr erscheinen wie Weihnachtswichteln bei der Mafia oder ein Kategorien-Hütchenspiel unter den ewig gleichen Üblichen Verdächtigen. Noch trauriger dann aber, dass der Deutsche Fernsehpreis, zumindest vom Titel her noch so was wie der Preis fürs Deutsche Fernsehen, die Hälfte der relevanten Kategorien killt, Genres auszeichnet, die noch nicht mal einen Tritt in den Hintern verdienen, und auf Wunsch der ARD den Ehrenpreis an die deutsche Nationalmannschaft vergibt. Die dann noch nicht mal kommt. Das ist wie ein Journalistenpreis für Boris Becker und Lothar Matthäus, nur weil soviel über sie geschrieben wurde. Gibt es eigentlich auch Auszeichnungen fürs Fremdschämen?

Die #SchleFaZ-Wunschfilm-Deutschland-Tour 2024

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19:00 Hamburg Friedrich-Ebert-Halle
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