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551. Die jährliche Satire-Krise (TVS 09/16)

Humor ist eine seltsame Sache. Einerseits wird er von vielen gar nicht wirklich ernst genommen, weil ja meistens irgendjemand darüber lacht. Andererseits sehen manche ihn als mögliche Beleidigung und somit potenzielle große Gefahr, vor allem wenn sie ihn nicht verstehen. Die Angst davor, dass durch einen respektlosen Scherz die eigene Ehre oder die des abonnierten Glaubens unheilbar verletzt werden könnte, ist bei vielen sogar so groß, dass sie darauf mit Gefängnis, Gewalt oder Terror antworten. Keine leichte Abwägung im internationale Gefüge, letztlich bleibt am Ende immer dieselbe ultimative Frage: ist eine misslungene Pointe wirklich ein Menschenleben wert? Falls ja: gäbe es diesem Falle überhaupt noch lebende Humoristen? Oder lägen wir alle schon längst gemeinsam auf dem Fips Asmussen-Friedhof in Mario St. Barth? Wie auch immer: für einen Witz zu sterben ist eine noch schlechtere Pointe als dafür zu morden. Grob unterschieden wird der Humor in die Bereiche ‚Blödelei/Klamauk’ (unverfänglich, massentauglich, lustig aber banal), ‚Kabartett/Satire’ (verbal hochwertig, nicht jedem verständlich, so mittel lustig aber bedeutsam) und ‚Kruder Brachialhumor’ (sprachlich grenzwertig, das Publikum spaltend, zwischen Schenkelkopfen und verständnislosem Kopfschütteln). Da Humor für jeden frei zugänglich und theoretisch benutzbar ist, hält sich irgendwie auch jeder für einen Experten auf dem Gebiet, wobei stets die Barrieren der eigenen Begriffsmöglichkeit als dessen göttlich gegebene Grenzen interpretiert werden.

Nach den Terroranschlägen gegen die Satiriker von Charlie Hebdo in Paris 2015 fungiert das eingeschränkte Humor- und Freiheits-Verständnis des türkischen Machthabers Erdogan als Rampe für die diesjährige Diskussion um die natürlichen Begrenzungslinien zwischen Satire und Todesstreifen. Nach einem musikalischen Spottlied der Sendung EXTRA DREI schäumte der muslimisch-konservative Despot ob der Frechheit der blasphemischen Präsidentenbeleidigung und forderte wütend Satisfaktion durch die deutsche Politik. Jan Böhmermann legte einen nach und fertigte ein wirklich beleidigendes Pamphlet an, um ihm damit die Harmlosigkeit des Songs sowie den Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik zu erklären, verbunden mit der deutlichen Distanzierung vom eigenen Werk. Eine satirische Provokation, die allerdings nur eine einzige Botschaft hatte: Schau her, du geifernder Giftzwerg, von einem egomanisch krächzenden Rumpelstilzchen, das die Menschrechte mit Füßen tritt, lassen wir uns unsere Redefreiheit nicht zerstören! Ein geschmacklich diskutabler Vorstoß, den man mögen kann, aber nicht muss. Aber darum geht es ja gar nicht. Das ZDF und die Kanzlerin allerdings entkernten vorschnell das böse Gedicht von seinem eigentlichen Inhalt und warfen den Verursacher der Meute zum Fraß vor. Womit sie in vorauseilendem Gehorsam zugaben: ‚Ja, wir sagen zwar immer, die Satire dürfe alles, aber natürlich meinen wir das gar nicht so. Und weil wir den Witz nicht verstanden haben, dürfen Sie den frechen Hanswurst dahinter auch gern anklagen, wir schauen so lange weg!’ Eigentlich schon fast wieder lustig… aber darf man über den Mord an der Satire-Freiheit lachen?

Geldverbrennungsanlagen

Die Existenz des Yeti ist noch immer nicht geklärt, die YOTTAS gibt es leider wirklich – und sie sehen noch gruseliger aus als man sie sich vorgestellt hätte! Er ein Anabolika-aufgepumpter Mucki-Millionär, sie seine streng durchoperierte Big-Bollerhupen-Barbie mit Botox-Backen. Ein aus ungeklärten Gründen stinkreiches deutsches Plastik-Protz-Paar, das seinen Lebenssinn im öffentlichen Angeben und Kohle-verfeuern gefunden hat. So unsympathisch und mediengeil, dass Pro7 den peinlichen Profi-Großkotzen prompt ein eigenes Doku-Format spendiert hat: DIE YOTTAS! MIT VOLLGAS DURCH AMERIKA! Quasi wie die Geissens, nur noch unangenehmer. – dafür aber jünger, mit dickerer Hose und viel größeren Glocken! Juhu!

Gruppentanzen

Bei RTL weiß man: wenn man schon keine neuen Ideen hat und bereits seit vielen Jahren alle Fenster vernagelt hat, um auch ja keinen Hauch ungewollt frischen Winds die gemütliche Trägheit stören zu lassen, dann muss man das altbekannt Bewährte wenigstens ab und zu mal ein bisschen variieren. So wie zum Beispiel das immer gleiche Promi-Getanze – erst seit Ewigkeiten bei LET’S DANCE, dann ganz leicht verändert zum Flop STEPPING OUT und demnächst wohl behutsam abgewandelt zu DANCE DANCE DANCE, bei dem teilbekannte Banal-Berühmtheiten durch bekannte Videos hoppeln. Na endlich.

Goldeiersuche

Während die Konkurrenz neue unsympathische Geldverschwender-Millionärs-Pärchen für ihre ihre eigenen Kotz-Doku-Soaps aufbaut, müssen bei RTL2 die ollen Geissens noch mal ran, Ihr Gnadenbrot in Goldpapier zu verdienen. Was gar nicht so einfach ist, denn nach elf Jahren prolliger Neureichen-Prahlerei hat das Publikum so langsam das Interesse verloren. Weshalb Mr. Überbiss und seine Robert-Sirene jetzt im SCHATZ DER GEISSENS zu einer kleinen TV-Schnitzeljagd einladen: irgendwo in der Karibik wird eine Tüte Kleingeld versenkt und wer brav zuschaut, kriegt vielleicht den Ort raus und kann sich die Wirtschaftswundertüte schnappen. Ich gähne jetzt schon vor Aufregung!

Die #SchleFaZ-Wunschfilm-Deutschland-Tour 2024

Tickets

19:00 Berlin Urania, Humboldtsaal
19:00 Berlin Urania, Humboldtsaal
AUSVERKAUFT
19:00 Hannover Theater am Aegi
19:00 Köln Theater im Tanzbrunnen
AUSVERKAUFT
19:00 Hamburg Friedrich-Ebert-Halle
19:00 Bremen Pier 2
19:00 Lübeck Kolosseum
19:00 Rostock Moya
19:00 Leipzig Haus Leipzig
19:00 Frankfurt Batschkapp
AUSVERKAUFT
19:00 Saarbrücken Garage
19:00 Kaiserslautern Kammgarn
19:00 Magdeburg AMO
19:00 München Alte Kongresshalle
19:00 Stuttgart Theaterhaus
19:00 Erfurt Alte Oper